Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
von einem einfachen Fernrohr. Also waren die Menschen hier Galilei um gut acht Jahrhunderte zuvorgekommen, was er höchst bemerkenswert fand. Die auf Papier gedruckte Straßenkarte hatte ihn hingegen weit weniger überrascht, da er diese Techniken bereits bei den Franken vorgefunden hatte. Überhaupt erschien es ihm geradezu irrwitzig, auf welchem hohen Niveau sich dieses Land befand; ein organisiertes Staatswesen nach spätantikem Vorbild anstelle des kümmerlichen, primitiven Gebildes, über das der echte Karl der Große geherrscht hatte. Je länger der Aufenthalt hier dauerte, umso häufiger hatte Captain Vincent sich gefragt, wo die ausschlaggebende Divergenz gelegen haben könnte, die eine so stark veränderte Zeitlinie zur Folge hatte. Das früheste asynchrone Ereignis, das er bisher feststellen konnte, war die Absetzung des Romulus Augustulus 476, die völlig anders über die Bühne gegangen war, als es eigentlich hätte sein sollen. Aber wo lag die Ursache dafür?
Er zog die zerknautschte Zigarettenschachtel aus der am Gürtel befestigten Ledertasche und stellte fest, dass sie nur noch drei Lucky Strikes enthielt. Er würde sich stark einschränken müssen, denn wer konnte schon sagen, wie lange diese Geschichte ihn noch hier festhalten würde. Normalerweise war Rauchen auf TE-Missionen absolut verboten, aber hier handelte es sich schließlich um einen Sonderfall, bei dem die temporale Kontinuität kaum noch schlimmer durcheinandergeraten konnte. Er zog eine der Zigaretten heraus, steckte die Schachtel wieder zurück und nahm das Feuerzeug zur Hand.
Hämmernde Schmerzen im Hinterkopf rissen Andreas stoßweise brutal wieder zu Bewusstsein. Noch tanzten in gleißenden Farben aufflammende Blitze vor seinen Augen, aber sie begannen zu verblassen. Sein Kopf dröhnte, als wollte er zerplatzen, wirre Gedankenfetzen schossen durch sein Gehirn, sinnlose Mosaiken von Bildfragmenten und zusammenhanglosen Lauten.
Durch die geschlossenen Augenlider konnte er Licht ahnen. Die Blitze verschwanden und machten der Leere Platz. Die hektisch umherirrenden Gedanken wurden langsamer und kamen schließlich zur Ruhe. Nun konnte er sich verschwommen an seine letzten Wahrnehmungen erinnern, wie Aethelred ihn mit übermenschlicher Kraft zu Boden geschleudert hatte.
Er versuchte, die Augen zu öffnen. Die Lider schienen schwer wie Blei und weigerten sich, seinem Willen zu folgen. Seine Arme und Beine konnte er spüren, aber es war, als seien sie gefesselt. Und er konnte etwas riechen, etwas lag in der Luft, das ihm fremd war.
Er konzentrierte seine gesamte Willenskraft darauf, die Lider aufzustemmen. Es gelang ihm, einen kleinen Spalt zu öffnen, durch den das Licht in seine Pupille fiel und ihn blendete. Ein Reflex ließ das Lid sofort wieder zuschlagen, aber nun war der Bann gebrochen. Er nahm sich zusammen und riss in einem einzigen Kraftakt die Augen auf.
Es dauerte eine Weile, ehe er etwas erkennen konnte. Ein Schleier vor den Augen trübte die Sicht, und er löste sich mit zäher Langsamkeit auf. Aber er konnte schon den Schemen eines Menschen ausmachen, von dem eine wohlbekannte Stimme ausging:
»Schau einer an. Also weilst du doch noch unter den Lebenden.«
Aethelred!
Jetzt begannen sich die Details herauszukristallisieren. Aethelred saß halb auf der Tischkante und hielt ein qualmendes Stäbchen in der Hand, und Andreas stellte fest, dass er tatsächlich gefesselt war und sich in der Gewalt des Fremden befand.
Mühsam sagte er: »Wenn du glaubst, mich mit deinem teuflischen Räucherwerk behexen zu können, bist du im Irrtum! Ich werde mich deinen Zauberkünsten widersetzen!«
Andreas wusste nur zu gut, dass es leere Worte waren, die er da sprach. Er hatte keinerlei Mittel, um sich gegen Aethelreds Magie zur Wehr zu setzen und war sich bewusst, dass er nur versuchte, sich selbst Mut zu machen.
Es dauerte einen Moment, bis Franklin begriffen hatte, was Andreas meinte; dann erst wurde ihm klar, dass er von der Zigarette sprach, und lachte kurz auf. »Teuflisch ist das Zeug bestimmt, aber wenn hier einer davon gefährdet ist, dann höchstens ich. Und jetzt will ich wissen, was du eigentlich für ein Spielchen treibst. Du hast mich zweimal verfolgt, ich habe rausgefunden, dass du den Geldwechsler über mich ausgefragt hast, und jetzt bist du auch hier eingebrochen und hast herumgeschnüffelt. Also, was soll das alles?«
Immer noch pulsierten dröhnend die Kopfschmerzen und versetzten Andreas in eine Stimmung
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