Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
fränkischer Offizier mit Federbusch am aufwendig gearbeiteten Helm, begleitet von einem grimmig wirkenden Unteroffizier. Der Mönch schien nachdenklich und sprach einige Worte mit dem Offizier, während der Unteroffizier sich kurz umsah, Andreas und Franklin erblickte und sofort auf sie zukam.
Das war’s!, dachte Andreas und wunderte sich über seine Gelassenheit. Wir sind ihm aufgefallen!
»Ihr zwei!«, bellte der Unteroffizier in befehlsgewohntem Ton. »Mitkommen, los!«
Ein Fluchtversuch hätte zwangsläufig in eine Katastrophe geführt, also tat Andreas es Franklin nach und folgte dem Soldaten hinüber zum Mönch und dem Offizier, die neben einer mittlerweile vorgefahrenen Kutsche warteten.
»Edler Oberkämmerer«, meldete der Unteroffizier dem Geistlichen, »hier sind, wie Ihr es verlangt habt, zwei Männer, die Euch zum Gefangenen begleiten werden.«
Sowohl Franklin als auch Andreas horchten auf. Der Mönch war niemand anderer als Einhard, der zweitmächtigste Mann des Frankenreiches. Aber bei einem kurzen Seitenblick entging dem Römer nicht, dass Franklin leicht verwirrt wirkte.
Der Oberkämmerer nickte und stieg dann mit dem Offizier in die wartende Kutsche. Von ihrer Eskorte erwarteten sie offenbar, dem Wagen zu Fuß zu folgen, was sich aber wegen der eher geringen Geschwindigkeit, die auf der von schweren Ochsengespannen zerfurchten Straße erreicht wurde, als nicht zu anstrengend erwies. Die Kutsche des Oberkämmerers rollte durch Aachen, und überall wurde ihr von den Lastträgern und Arbeitern ehrfürchtig Platz gemacht.
»Das ist Einhard?«, fragte Franklin leise, aber mit nicht zu überhörender Verwunderung in der Stimme.
»Offenbar ja. Stimmt etwas nicht?«
»Ich bin irritiert … der Mann ist doch bestimmt fünfzig Jahre alt! Der Einhard, den ich im Sinn hatte, dürfte jetzt gerade mal sechsundzwanzig sein.«
Andreas dachte kurz nach und sagte dann schlicht: »Wer sagt denn, dass es derselbe ist?«
»Da hast du recht … abgesehen davon, hast du gehört, was der Unteroffizier gesagt hat? Wir sollen ihn zum Gefangenen begleiten. Also ein bestimmter, besonderer Gefangener, mit dem Einhard wohl einiges zu bereden hat. Mit ein bisschen Glück führt er uns direkt zu Larue!«
Andreas antwortete darauf nichts. Sie hatten durch Gottes Gnade in den letzten Stunden schon sehr viel Glück gehabt, und dergleichen noch einmal zu erwarten wäre einer Anmaßung gleichgekommen. Schweigend folgten sie dem langsam dahinrumpelnden Wagen. Bald hatten sie Aachen hinter sich gelassen und bewegten sich auf der alten Römerstraße ostwärts. Andreas dachte darüber nach, welche Gefahren von den in Karls Händen befindlichen Feuerwaffen ausgehen mochten.
Er wusste weder, über wie viel Gewehre der Frankenkönig verfügte, noch, mit welcher Wirkung er sie einzusetzen in der Lage war. Doch wenn er sich Franklins Schilderungen ins Gedächtnis rief, gab es für ihn keinen Zweifel, dass die Lage überaus bedenklich war. Er hatte gesehen, aus welcher Distanz Franklin mit seiner Waffe, die er als Betäubungspistole bezeichnete, den fränkischen Soldaten außer Gefecht gesetzt hatte. Wenn es sich dabei auch nicht um eine zum Töten bestimmte Waffe gehandelt hatte, war die Entfernung, über die sie wirksam war, beachtlich.
Weströmische Soldaten waren für den Nahkampf in engen, geschlossenen Formationen ausgebildet, nur selten setzten sie Bogen- oder Armbrustschützen ein. Auf einen tödlichen Geschosshagel, den ein möglicherweise noch zweihundert Schritt entfernter Feind in ihre dicht gedrängten Linien schleudern konnte, waren sie nicht vorbereitet; wie sollten sie auch? Das Resultat wäre verheerend, unter ungünstigen Umständen mochte ein Blutbad die Folge sein, ohne dass die Legionäre auch nur eine Möglichkeit hätten, sich zur Wehr zu setzen. Andreas beschloss, Marcellus Sator auf dem schnellsten Wege eine Nachricht über diese Erkenntnisse zukommen zu lassen, sobald er Genaueres in Erfahrung gebracht hatte.
Die Kutsche bog in einen Seitenweg ab und näherte sich bald darauf einer hohen Mauer mit großem Tor, auf dessen dunklen Flügeln aus Eichenholz der fränkische Adler in poliertem Kupfer prangte und jeden Ankommenden mit grimmig geöffnetem Schnabel und gespreizten Krallen einzuschüchtern versuchte.
Ein Soldat der Scara zeigte sich über der Mauerkrone. Als er den Wagen des Oberkämmerers erkannte, gab er ein Handzeichen. Die schweren Torflügel öffneten sich, und die Kutsche konnte
Weitere Kostenlose Bücher