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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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können. Als sie vor der schon weit gediehenen Kirche standen, auf deren Baugerüsten eine große Zahl von Maurern unablässig neue Reihen von Ziegeln setzte, stellte Andreas fest, dass es sich nicht um einen Rundbau handelte, wie er mit bloßem Auge aus der Ferne zu erkennen geglaubt hatte, sondern um ein Gebäude mit polygonalem Grundriss. Das mochte auch noch angehen, denn derartige Kirchen waren auch im Imperium nicht unbekannt. Doch angesichts der Art, in der die Pfalzkapelle errichtet wurde, schüttelte er den Kopf.
    »Das ist ja schrecklich!«, flüsterte er Franklin abschätzig zu. »Ich bin kein Architekt, aber was ich hier sehe, ist schlecht, einfach nur schlecht. Die Fenster sind viel zu klein, der Innenraum wird später furchtbar düster sein. Die Fassade ist, wenn daran nichts geändert wird, viel zu wenig gegliedert. Ich kann nur hoffen, dass später wenigstens die Mauern verputzt werden, denn man kann doch unmöglich diese nackten Ziegelmauern mit den groben Hausteinen an den Ecken zeigen wollen. Und überhaupt halte ich die Proportionen für missraten. Wenn das wirklich eine genaue Kopie der Kirche ist, die euer Karl bauen ließ, dann frage ich mich, wie er damit zu Ruhm gelangen konnte.«
    »Na ja, es war unter anderen Bedingungen«, sagte Franklin fast entschuldigend. »Das Original entstand unter Umständen, deren Beschränktheit du dir gar nicht vorstellen kannst. Dadurch erscheint die Leistung in einem völlig anderen Licht.«
    Trotz der durchaus logischen Erklärung fanden weder das Gotteshaus noch die Gesamtanlage des Palastes Gnade vor Andreas’ Augen. Aus seiner Sicht war dieser Ort als Residenz einfach unter dem Niveau eines Mannes, der ein Reich von bedeutenden Ausmaßen beherrschte. Karls Wahn, sein Gegenstück aus der anderen Welt in möglichst vielen Punkten zu imitieren, hatte ihn allem Anschein nach blind werden lassen für die Tatsache, dass die Aachener Kaiserpfalz Karls des Großen in einer Welt der Barbarei ein Wunder gewesen sein mochte, hier jedoch hoffnungslos primitiv erschien. Selbst die große Aula, der nur noch das Dach zur Vollendung fehlte, war nichts weiter als ein unbeholfener, verkleinerter Abklatsch der Basilika Konstantins des Großen, die einen Teil von Karls Palast in Trevera bildete.
    Etwas abseits des Bauplatzes befanden sich einige flache hölzerne Hallen, über denen mehrere hohe Schornsteine qualmend emporwuchsen. Ein Luftzug trug einen widerlich eindringlichen Geruch herüber.
    »Schwefel«, sagte Andreas voller Ekel und rümpfte die Nase.
    Franklin blieb unvermittelt stehen und griff sich an die Stirn. »Schwefel … ich Idiot! Natürlich, das ist es!«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich bin mir noch nicht völlig sicher. Ich muss erst noch etwas nachprüfen. Wir müssen sofort zu den großen Fäkalienbecken am Rand der Stadt.«
    Andreas wollte noch fragen, was ihm so plötzlich eingefallen war, aber Franklin war schon mit schnellen Schritten auf dem Weg zu seinem neuen Ziel, und Andreas bemühte sich, ihn einzuholen. Unterwegs passierten sie die Lagerplätze, und im Vorbeigehen kommentierte Franklin knapp, was er auf den vorüberrollenden Fuhrwerken sah: »Holzkohle! Ich hätte es wissen müssen. Und da, in den Fässern ist Kalk, jede Menge Kalk! Warum ist mir das nicht eher eingefallen, ich bin ein Schwachkopf …«
    Andreas gab sich alle Mühe, mit Franklin Schritt zu halten und zu verstehen, was er mit seinen Worten meinte. Aber weder in Schwefel, noch in Kalk oder Holzkohle konnte er irgendetwas Bedeutsames erkennen. Schließlich erreichten sie die Becken, aus denen ein fauliger, Übelkeit erregender Gestank aufstieg. Es waren insgesamt zehn, aufgereiht nebeneinander an einem Bach, in den sie durch Schleusentore entleert werden konnten, wobei das aufgestaute Wasser eines anderen Bachlaufs dazu diente, alle Exkremente fortzuspülen. Mit vier der Becken war das offenbar vor Kurzem geschehen, denn sie waren leer. Arbeiter waren damit beschäftigt, in zwei von ihnen die Wände frisch zu kalken, während in den anderen beiden die Mauern gerade abgekratzt und die dabei anfallenden Kalkbrocken sorgfältig in Eimern gesammelt und auf bereitstehende Eselskarren verladen wurden. Diese Tätigkeiten erschienen Andreas sinnlos, doch noch viel befremdlicher war für ihn, was gerade an einem erst zur Hälfte gefüllten Becken vorging. Dort hatte sich der erste Fäkalienwagen des Tages eingefunden, und ein Dutzend kräftiger Männer wuchtete das große Fass auf der

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