Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
doch wissen«, erwidere ich mit gespieltem Tadel. »Niemals ohne Seife waschen.«
»Mach ich nicht«, antwortet mein Vater.
Jeremy, dem ich bereits erklärt habe, wie man sich an der Sonne orientiert, dreht sich mit ausgestrecktem Zeigefinger im Kreis. »Niemals ohne Seife waschen. Norden, Osten, Süden, Westen.«
»Hast du ihnen das beigebracht?«, wendet sich Dad an meine Mutter.
»Sommerlager!«, bescheide ich kurz, als ob damit alles gesagt wäre.
Mit einem Schulterzucken schließt mein Vater sich uns endlich an und wir folgen der Sonne, die am frühen Nachmittag im Südwesten steht.
An diesem Spätsommertag ist der Wald herrlich warm und ich entdecke ab und an wildwachsende Beeren, die ich von den Sträuchern pflücke und mir in den Mund stopfe.
Jeremy springt wie ein kleiner Hase vorweg und ich beobachte mit Stolz, wie er uns mühelos navigiert, auch als die Sonne zwischen den Baumwipfeln kaum noch zu sehen ist.
Wir haben fast das Tal erreicht, als ich meine, mein Herz würde aussetzen. Rechts von uns entdecke ich durch die Tannen hindurch den Fluss, einige hoch gewachsene Kiefern stehen an seinem Ufer. Sie sind viel größer, als ich sie in Erinnerung habe. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch existieren, denn es sind über hundertfünfzig Jahre vergangen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber ich bin mir sicher. So sicher, wie man sich nur sein kann. Da, links von uns, die graue Abbruchkante, die den Nadelwald beendet. Eben jene, an der ich Kay mit dem toten Bären zurückgelassen habe.
Unmöglich, an einen Zufall zu glauben.
Ich lasse meine Familie stehen und renne zu der Felswand, wo ich den Überhang vermute, unter dem mein geliebter Scout und ich Schutz gesucht haben, und da sehe ich sie: eine Blockhütte, aus geschälten Stämmen gebaut, verborgen hinter dicht stehenden Tannen. Sie ist klein, höchstens für zwei Personen geeignet, und wirkt, als sei sie mit viel Mühe aus dem, was der Wald zu bieten hat, errichtet worden.
Hier muss es sein. Hier muss das Geburtstagskind wohnen. Es gibt keine andere logische Erklärung, als dass es Kay ist. Ich habe ihn nie nach seinem Geburtstag gefragt, nur nach seinem Alter.
Nach Luft schnappend hämmere ich gegen die Tür.
Es vergeht eine Minute, bis sie sich öffnet. Erst als meine Eltern mich erreicht haben, tritt eine Frau, um die Sechzig, heraus und streckt mir lächelnd die Hand entgegen.
»Du musst Alison sein.«
Ich nicke, zu verwirrt, etwas zu sagen.
»Ich bin Hillary und kümmere mich um das Geburtstagskind.« Sie begrüßt auch meine Familie mit kräftigem Händeschütteln.
Hillary wirkt liebenswürdig. Sie ist schon leicht ergraut und ziemlich mollig, aber dafür von erstaunlicher Energie. »Bitte, kommen Sie herein.«
Hillary tritt zur Seite, weist mit offener Hand ins Innere.
Ich brauche einen Moment, um im Halbdunklen etwas zu erkennen. Dann aber erfasse ich ein urgemütliches Wohnzimmer, deren einzige Lichtquelle einige Kerzen sind. Selbst sie wirken handgemacht. Felle liegen auf der Erde, auf ihnen Sitzmöbel aus Holz, die Dad mit anerkennendem Nicken betrachtet.
Als sich meine Augen ganz an das schummrige Licht gewöhnt haben, sehe ich ihn, und das im gleichen Moment wie Jeremy, der das Tier mit einem Cool! kommentiert. An der Wand hängt ein ausgestopfter Schwarzbär. Erst glaube ich, es ist der Bär, den mein älteres Ich mit dem Tomahawk getötet hat, aber sein Fell am Kopf ist unversehrt.
Ansonsten ist der Raum menschenleer. Keine anderen Geburtstagsgäste haben sich hierhin verirrt.
»Wo ist er?«, frage ich Hillary mit erstickter Stimme.
»Das würde ich auch gern wissen«, grummelt Dad.
»Wir konnten Sie nicht mehr rechtzeitig erreichen«, erklärt Hillary. »Es tut mir sehr leid, aber das Geburtstagskind fühlt sich nicht wohl. Er braucht Ruhe. Wir mussten die Party absagen. Aber ich habe Cola!«
Inzwischen halte ich Hillary für eine Art Haushälterin, auch wenn ich nicht verstehe, was in dieser kleinen Hütte zu organisieren wäre.
»Super, Cola!«, ruft Jeremy begeistert.
»Lass sie dir schmecken. Ich musste sie extra aus Carson City holen und hier runterschleppen.« Hillary lächelt, bietet meinen Eltern auch eine Flasche an. »Trinken Sie! Der Rückweg ist steil.«
»Soll das bedeuten, wir sind die ganze Strecke für eine Cola gefahren?«, brummt Dad.
»Es tut mir wirklich leid. Aber er fühlt sich nicht wohl«, wiederholt Hillary und deutet auf die Pappschachtel, die Mum immer noch in der Hand
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