Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
beschilderten Gebäude überfordern mein Gehirn, Ampeln und Schilder verwirren mich, der Verkehrslärm dröhnt in meinen Ohren.
Seit meiner Rückkehr bin ich nur in dem Wald hinter unserem Haus gewesen, habe die Zivilisation gemieden. Mich wieder in das Leben zu stürzen, wäre mir wie ein Verrat an Kay vorgekommen. Nicht zu wissen, was aus ihm geworden ist, ob er die letzten Stunden im Wilden Westen überlebt hat, quält mich über alle Maßen.
In der Natur fühle ich mich ihm nah. Die Straßen und Gebäude um mich herum fühlen sich falsch an, so als könne ich meinen Kay niemals in einer solchen Umgebung wiederfinden.
Die nächste Stunde Autofahrt ertrage ich mit zugeschnürter Kehle. Erst als wir das kleine Örtchen Placerville hinter uns lassen, die Straße uns durch dichte Tannenwälder führt, atme ich auf. Ich sehe nicht geradeaus, fixiere die viel zu schnell vorbeirauschenden Baumstämme und verliere mich irgendwann in der Überlegung, wo wir unser Nachtlager errichten könnten, welches Wild es zu fangen gäbe und ob schon genießbare Pilze im Wald zu finden sein könnten …
Das Gelände steigt langsam an. Bald windet sich unser Pick-up durch immer engere Kurven und ich registriere unausweichlich die asphaltierte Straße, deren Anblick mich in die Realität zurückzwingt.
Dad hält bei einer Tankstelle, um Benzin nachzufüllen. Jeremy quengelt nach etwas Süßem und als mein Vater mit zwei in goldene Folie gehüllten Eis am Stiel zurückkommt, sie uns reicht, starre ich die glänzende Verpackung an, als käme sie aus dem All. Es erscheint mir unmöglich, so etwas mitten im Wald aufzutreiben. Ich reiche Mum das Eis nach vorn, die es kopfschüttelnd nimmt.
Seit Tagen habe ich kaum etwas gegessen, Teller randvoll mit Schokopops, Spaghetti, Hot Dogs oder Pommes zurückgeschoben und nur an ein wenig Brot herumgeknabbert. Vielleicht bin ich wieder in meiner Realität angekommen, aber die Realität sicher noch nicht bei mir.
Mum mutmaßt, ich hätte Liebeskummer, und lässt mich. So Unrecht hat sie damit auch nicht. Dad bekommt nicht viel mit in seinem Schuppen und Jeremy findet mich einfach nur großartig. Er schlingt mein unangetastetes Essen hinunter und folgt mir, so oft ich es zulasse, in den Wald.
Auch jetzt ist er aufgeregt, da er einen Waschbären entdeckt hat, der an einem Rastplatz eine Mülltonne ausräubert. Er will das Tier am liebsten mitnehmen. Ich hingegen überlege, wie es zuzubereiten wäre.
Links von uns erstreckt sich irgendwann ein großflächiger See, an dessen sandigem Ufer Einheimische in der Sonne braten. Hotdog-Buden, Hinweisschilder und Souvenirstände zerstören auch dieses Naturschauspiel und als wir die Grenze zu Nevada passieren, reichen sogar vielstöckige Hotels bis an das Wasser.
Trotzdem kommt mir die Gegend vertraut vor. Sie ähnelt immer mehr dem Nadelwald, in dem Kay und ich unsere letzten Tage verbracht haben. Irgendwann geht mir auf, dass wir tatsächlich in diesem Gebiet sein müssen. Zumindest in etwa, denn Kay und ich hielten uns stets gen Nordwesten, Richtung Kalifornien, und Dad lenkt das Auto Richtung Südosten, wie mir die Mittagssonne verrät.
Einige Zeit später, nachdem wir eine ganze Weile bergab gefahren sind, meine ich sogar, eine Felsformation wiederzuerkennen. Es erscheint mir lächerlich, aber als Dad auf einen Parkplatz einbiegt und brummt: »Geschafft. Hier müsste es irgendwo sein«, vollführt mein Herz einen Salto vor Aufregung.
Eine Weile stehen wir zwischen einigen anderen parkenden Autos und sehen uns suchend um. Mum hält eine Pappschachtel mit einem Apfelkuchen in der Hand, Dad die Geburtstagseinladung, der eine handbemalte Karte beiliegt.
»Sehe ich aus wie ein verdammter Pfadfinder?«, grummelt er, sichtbar verärgert. »Hier steht was von zu Fuß weiter und Südwesten und einem Fluss!«
Neugierig nehme ich ihm die Karte aus der Hand, die mit feinen Linien eine Landschaft skizziert, gekennzeichnet durch Himmelsrichtungen, einem Flusslauf und einem Maßstab.
»Wir müssen dort lang. Etwa zwei Kilometer talabwärts.«
»Was? Zwei Kilometer?« Mum sieht entsetzt aus. »Ich dachte, wir könnten mit dem Auto dorthin fahren. »Ich weiß nicht, ob meine Schuhe das mitmachen und der Kuchen …«
Dad sieht mich mit gerunzelter Stirn an. »Bist du dir sicher, Alison? Woher willst du wissen, dass da Südwesten ist? Ich mag Bäume, aber da sieht's aus, als könnten wir uns schnell verlaufen …«
»Dad, das müsstest du alter Waldschrat
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