Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
rechts und links, rechts und links.
Und dann endlich, zu Sonnenaufgang, steigt eine dünne Rauchfahne empor. Mit einem kleinen Freudenschrei werfe ich den Feuerbohrer zur Seite, greife nach dem Holzbrett, auf dem der Zunder liegt, und puste vorsichtig in die spärliche Glut, bis die Rinde Feuer fängt und kleine Funken sprühen. Mit dem Brett zusammen trage ich das Wunderwerk zu einem Häufchen Gräser, lasse es vorsichtig hineingleiten und wedle mit der Hand Luft in die Flämmchen, bis auch das Gras Feuer gefangen hat. Dann schichte ich, wie Kay es mir so oft gezeigt hat, viele kleine Zweiglein darüber, die neben dem eigentlichen Brennholz lagern.
Erst als die Flammen sich knisternd über das trockene Geäst hermachen, wage ich es, die größeren Stöcke hineinzulegen.
Dann habe ich es geschafft! Vor mir prasselt ein ordentliches Lagerfeuer, heiß und lebenserhaltend, in das ich am liebsten hineinkriechen möchte. So nah es die Hitze zulässt, setze ich mich an die Flammen und bestaune mein Werk, bis ich Kay näher kommen höre.
Er legt behutsam die Metallschale in die Flammen. Sie ist randvoll mit kleingehacktem Ziegenfleisch, Kräutern und Wasser gefüllt, und ich kann meinen Blick nicht abwenden, selbst nicht, als Kay sich dicht hinter mich setzt und seine Arme um meinen Körper schlingt.
»Das hast du sehr gut gemacht, meine Kleine.«
»Ich sollte dich über den Flammen rösten!«
Soll Kay doch meinen Zorn spüren! Er hat es verdient. Mich fast verhungern zu lassen, von der Kälte ganz zu schweigen …
Trotzdem, ich habe es geschafft. Ich! Ganz allein! Bei diesem Gedanken spüre ich ein Ziehen in der Nasenwurzel, gleich darauf Wasser in meine Augen treten. Oh nein! Schon wieder Tränen. So soll Kay mich nicht sehen. Nicht noch einmal. Aber, es nützt nichts! Dicke Tropfen quellen aus meinen Augen, ergießen sich auf die Erde.
»Geschafft! Ich! Alleine!«, schluchze ich und Kay drückt mir einen Kuss auf die Haare.
»Das hast du, mein Schatz. Das hast du«, flüstert er in mein Ohr. »Und jetzt wirst du es jederzeit wieder können und mir in zwei Jahren beibringen.«
»Wirklich?«
»Ganz bestimmt.«
Als wir unser Lager verlassen, bleiben noch sechs Tage bis zum Ende der Challenge. Noch immer wissen wir nicht, was in dieser Zeit Jeremys Verlust etwa hundertfünfzig Jahre später bedingen wird. Da wir aber in den vergangen Wochen keinem Menschen begegnet sind, beschließen wir, uns weiter am Fluss entlangzubewegen, denn Kay vermutet, dass wir irgendwann auf Goldsucher stoßen werden.
Mir ist schleierhaft, was uns ein solches Aufeinandertreffen bringen soll, vor allem, da Kay bisher strikt dagegen war, mit Fremden in Kontakt zu kommen.
»Wieso jetzt?«, frage ich, als wir zum Fluss gehen, um Wasser zu holen.
»Wieso ich jetzt das Risiko eingehen will, auf andere Menschen zu treffen?«
Ich fülle das klare Wasser in die Blase des Ziegenbocks und nicke. Inzwischen versteht Kay mich ohne viele Worte.
»Wir haben bisher keinen Anhaltspunkt, wie diese Zeit mit dem Apfelbaum und Jeremy zusammenhängt, und uns bleiben nur noch wenige Tage. So lange du nichts in deiner Erinnerung findest, was mit deiner Familie und dem Wilden Westen zu tun hat, müssen wir uns in die Zivilisation wagen. Hier werden wir zumindest keine Hinweise finden.«
»Und wenn wir damit alles noch schlimmer machen?«, werfe ich ein.
»Wenn wir hier bleiben, wird dein Leben zumindest nicht besser aussehen. Würdest du das akzeptieren?«
Ich schüttle den Kopf.
Am Morgen des zweiundzwanzigsten Tages brechen wir schwer bepackt auf. Das Kanu lassen wir zurück. Es ist zu unhandlich, um es über weite Strecken zu transportieren.
Stattdessen hat Kay zwei Körbe geflochten. Sie machen einen wenig stabilen Eindruck, tragen aber zuverlässig unsere reiche Beute, die wir inzwischen angehäuft haben: getrocknetes Fleisch von Forellen, Wildkaninchen und dem Ziegenbock, verschiedenste Kräuter in kleinen Bündeln mit Sehnen zusammengefasst, achtzehn grüngesprenkelte Eier obenauf und ein winziges Häufchen Salz. Kay hat es aus Pflanzenasche gewonnen, die er immer wieder mit Flusswasser gefiltert hat. Das Salz reicht nicht, um das Fell des Bocks damit vernünftig zu gerben, ist aber doch eine Kostbarkeit, die sich vielleicht mit etwas anderem tauschen lässt.
Mit dem Tomahawk habe ich ein Loch in das getrocknete Ziegenfell geschnitten und trage es jetzt als stinkenden Poncho, der jedoch erstaunlich wärmt. Um meine nackten Beine ist
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