Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
erloschen.
Mit zittrigen Fingern ziehe ich den Zettel unter dem Stein hervor und starre entsetzt auf das Blatt, bevor ich die Sätze lese. Die Handschrift würde ich jederzeit wiedererkennen: Es ist meine.
»Kay wird morgen sterben«, lese ich laut. »Wenn du sein Schicksal ändern willst, musst du ihn zurücklassen. Fünfzehn Tropfen in einen Tee aus Kiefernnadeln. Verliere keine Zeit! Verbrenn den Zettel. Such mich nicht. Ich komme wieder, sobald er schläft. Alison.«
Ich lasse den Brief sinken, lausche in den Wald hinein. Das Zirpen eines Vogels, brechende Äste, irgendwo regelmäßiges Klopfen … vielleicht Kay, der Stämme schlägt. Mit zusammengekniffenen Augen suche ich zwischen den Bäumen. Die Sonne ist schon hinter dem Bergmassiv verschwunden, spendet nur noch indirektes Licht. Unmöglich, jemanden auszumachen. Immer noch zitternd lese ich den Zettel erneut.
Ist das möglich? Bin ich ein zweites Mal hier, um mir selbst zu begegnen? Um Kays Leben zu retten? Kann ich der Botschaft trauen? Ist sie eine List von Wum Randy?
Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf. Über all dem aber steht der Satz: Kay wird morgen sterben. Wie wird er sterben und warum? Er kann nicht sterben! Nicht Kay, der sich immer zu helfen weiß, der eins mit der Natur ist, der selbst zu einer tödlichen Waffe wird, sollte er angegriffen werden.
Kay wird morgen sterben! Meine Handschrift …
Es hat keinen Sinn, weiter nachzugrübeln. Ich muss mir einfach trauen. Wenn nicht mir selbst, wem sollte ich dann Glauben schenken?
Meine nächsten Schritte verrichte ich wie in Trance.
Das Fläschchen entkorken, fünfzehn Tropfen in die Schale, eine Handvoll Kiefernnadeln dazu, Tannenäste auf die Glut, bis das Feuer lodert.
Ein letztes Mal lese ich den Zettel, versuche, eine List zu erkennen, aber Zweifel bringen mich nicht weiter. Ich höre auf mein Gefühl und werfe das Papier in die Flammen. Das Fläschchen vergrabe ich im Waldboden, fege Laub mit meinen Händen über die aufgebrochene Erde, greife mir zwei gegabelte Stöcker aus den Vorratskörben und hebe damit die glühende Schale aus dem Feuer, um sie in einen Schneeflecken zum Abkühlen zu stellen.
Dann warte ich auf Kay. Ich sollte ihm vielleicht von dem Brief erzählen … Wir könnten gemeinsam auf mein zweites Ich warten, denn mit Sicherheit würde Kay eine Alternative finden, oder? Anderseits, gäbe es diese Alternative, würde ich mir dann einen solchen Brief schreiben?
Über mein Vorhaben weiter nachzudenken, verbiete ich mir. Mein anderes Ich wird wiederkommen und mir verdammt noch mal Rede und Antwort stehen.
Trotzdem, als Kay endlich aus dem Wald kommt, einen Bündel kräftiger Stöcker im Schlepptau, schlage ich vor Entsetzen die Hand vor den Mund. Was bin ich bereit zu tun? Was war in dem Fläschchen?
»Du siehst blass aus. Alles in Ordnung?« Kay legt das Holz auf die Erde.
»Ich bin nur müde …«
»Es dauert nicht lang, mein Schatz. Die Stöcker sind stark und schon alle gespitzt. Bald kannst du schlafen.«
»Ist gut.« Ein letztes Mal ringe ich mit mir.
Kay hockt sich vor mich und streicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht, während ich den Boden anstarre.
»Schaffst du es noch, uns die Pilze zu kochen? Vielleicht zusammen mit dem Trockenfleisch? Ich glaube, ein warmes Essen würde dir guttun.«
»Ich habe Tee gemacht.« Ich weiche seinem Blick aus, deute auf die Schale.
Schnuppernd nimmt mein Scout das Gefäß aus dem fast geschmolzenen Schneeflecken. »Kieferntee … Riecht gut. Nimm ein paar Schlucke, das gibt Energie.«
Ich schüttle den gesenkten Kopf. Noch immer mag ich Kay nicht ansehen. »Hab schon … eine ganze Schale. Der ist für dich.«
»Wirklich?«
»Trink schon, bevor er kalt ist.«
Ich höre, wie Kay die Schale in schnellen Zügen leert. Erst dann sehe ich auf.
»Es tut mir so leid …«
»Was denn? Der Tee war großartig!«
»Ich mach dann Essen«, würge ich hervor. Was auch immer passiert. Zu spät, meine Entscheidung zu ändern.
Ich sehe auf den Marker. Er funktioniert wieder und die nächsten Minuten verbringe ich damit, die Austernpilze langsam in Stücke zu brechen, schaufle etwas Schnee in die Schale und lege sie wieder auf die Glut.
Ich höre, wie Kay die Stöcke ächzend in den Boden bohrt, erst als es still wird, drehe ich mich wieder um.
Mein geliebter Scout sitzt an die Felswand gelehnt, ein Ausdruck des Erstaunens im Gesicht. Er öffnet den Mund, anscheinend, um etwas zu sagen, doch dann fallen ihm die
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