Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
wartet? Ja, dachte Zacharias, vielleicht wartete sie tatsächlich! Denn vielleicht ... hatte sie über all die Jahrhunderte etwas aufbewahrt. Einen Brief ... einen Brief von Hanna!
„Ich komme“, rief er fröhlich. „Wir sollten uns wirklich beeilen!“
Und er rannte über die blühende Wiese durch den warmen Sommerwind, den anderen hinterher.
Epilog
Es war herrlich, die warme Erde unter den nackten Füßen zu spüren. Es roch nach Gras und Blumen und die Luft war erfüllt vom Zwitschern der Vögel.
Hanna war glücklich. Endlich Sommer!
Die Sonne stand schon tief am Himmel und die Hütten des Dorfes warfen lange Schatten. Wie leergefegt waren die staubigen Wege. Kein Wunder, denn bis auf die ganz Alten waren alle Dorfbewohner auf den Feldern. Selbst die Kinder mussten mithelfen, um die Ernte rechtzeitig vor dem nächsten Gewitter einzubringen.
Der Tag hatte für Hanna überaus lehrreich begonnen. Sie war ihrer Mutter bei einer Geburt zur Hand gegangen und hatte einige Kunstgriffe üben dürfen. Mit dem Holzrohr hatte sie am Bauch der Schwangeren gehorcht und die Lage des Kindes im Mutterleib ertastet. Die Niederkunft war sehr schmerzhaft gewesen, doch jetzt ging es der Frau des Köhlers schon wieder recht gut.
Mutter hatte das Kind gewaschen und Hanna dann nach Hause geschickt, um noch einige Kräuter zu holen, aus denen sie einen stärkenden Sud für die Köhlerfrau bereiten wollte. Die Familie des Kö hlers hauste im Wald, ein gutes Stück vom Dorf entfernt und zuerst hatte Hanna wenig Lust verspürt, den weiten Weg noch einmal zu gehen. Aber dann war ihr klar geworden, dass eine so günstige Gelegenheit wie heute so schnell nicht wiederkehren würde.
Sie wusste, dass der Dorfpfaffe den anderen Bewohnern auf die Felder gefolgt war, um die prall gefüllten, goldenen Ähren zu segnen und mit Weihwasser zu besprengen. Schließlich brauchte die Ernte Schutz vor den drohenden Unwettern.
So lag nun auch die kleine, steinerne Kirche einsam und verlassen da und döste in der Hitze des späten Augustnachmittags. Ja, Hanna war ganz sicher. Heute würde es geschehen. Aber zuerst musste sie nach Hause.
Sie stieß die Tür zu ihrer Hütte auf und lief hinüber zu dem Regal, wo die Tiegel, Körbe und Töpfe mit ihren heilkräftigen Inhalten fein säuberlich aufgereiht warteten. An jedem einzelnen Regalbrett waren schmale Holzplättchen angebracht, auf denen in sorgfältig eingeschnitzten Buchstaben die Namen der verschiedenen Heilmittel, Kräuter, Tinkturen und Elixiere geschrieben standen. Hannas Blick flog über die Plättchen, dann füllte sie einen kleinen Beutel mit den getrockneten Gewächsen, nach denen Mutter sie geschickt hatte. Jeden Tag erfüllte es sie von Neuem mit Freude, lesen und schreiben zu können.
Sie ging hinüber in die Ecke zu den Strohbündeln, die Arne und ihr als Nachtlager dienten, und zog eine Pergamentrolle hervor, die von einem Lederriemen zusammengehalten wurde. Nachdem sie den Sitz des Riemens noch einmal geprüft hatte, hüllte sie die Rolle sorgfältig in ein gewachstes Leinentuch, das sie an beiden Enden verknotete. Versonnen betrachtete sie das Bündel. Wie oft hatte sie an den Jungen aus der Zukunft mit dem seltsamen Namen gedacht, der in jener bitterkalten Winternacht in einem Wirbel aus blauem Licht verschwunden war.
Manchmal kam es ihr so vor, als hätte sie das alles nur geträumt. Wie es wohl Zacharias ergangen war? Kaum hatte ihn das blaue Licht mit sich genommen, hatte sie sich auf der dunklen Lichtung plötzlich furchtbar allein gefühlt. Sie hatte sich beeilt, endlich nach Hause zu kommen, wo Mutter und Arne sie erleichtert in die Arme schlossen.
Am nächsten Morgen waren die Reiter des Grafen ins Dorf zurückgekehrt. Überall, sogar in den Hütten hatten sie nach dem Burgvogt gesucht. Irgendwann waren sie dann auf die Leiche im Bach gestoßen. Trotzdem hatten sie die Dorfbewohner unbehelligt gelassen. Hanna hatte das nicht besonders überrascht. Wer die eisglatten Planken der Brücke und das durchbrochene Geländer gesehen hatte, konnte nicht anders, als an einen bedauerlichen Unfall zu glauben.
Der Graf schien bis jetzt noch keinen neuen Verwalter bestellt zu haben und so war das Leben im Dorf seither recht friedlich verlaufen. Aber Hanna machte sich keine Illusionen. Sie wusste, dass auch wieder schlechtere Zeiten kommen würden. Im Moment hatte der Graf andere Sorgen als die Suche nach einem Ersatz für seinen d ahingeschiedenen Burgvogt. Schließlich
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