Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
musste er dringend einen neuen Goldmacher finden. Das ganze Dorf hatte gelacht, als kurz nach Zacharias' Verschwinden ein fahrender Händler auf dem kleinen Platz am Dorfbrunnen die Geschichte von Meister Freisius, dem Alchemisten, zum Besten gegeben hatte. Dem war es doch tatsächlich gelungen, aus dem verschlossenen Turmzimmer der Burg von Sonningen zu entkommen. Er hatte nicht die geringste Spur hinterlassen.
Natürlich hatte der Graf die Wächter einer peinlichen Befragung unterzogen, die einige nur knapp überlebt hatten. Trotzdem war es nicht möglich gewesen, die Umstände der Flucht aufzuklären.
Es hatte Hanna einige Mühe gekostet, diese Neuigkeiten für Zacharias so kurz wie möglich, aber gleichwohl vollständig, Buchstabe für Buchstabe auf der ledrigen Oberfläche des Pergaments festzuhalten. Allerdings war diese Anstrengung nichts gegen die Schwierigkeiten gewesen, die sie gehabt hatte, um in den Besitz des Pergaments zu gelangen.
Zwar fertigte der Vater von Hans in seiner Gerberei nicht nur Leder, sondern auch Pergament für die Klosterschreiber, die ihrer eintönigen Berufung nicht weit entfernt vom Dorf in der alten Abtei nac hgingen.
Aber die Herstellung war aufwendig und benötigte viele Arbeitsschritte. Jedes Stück war deshalb sehr wertvoll und sie hatte nicht gewagt, Hans' Vater um eines zu bitten. Aber sie hatte sich Hans a nvertraut.
„Ich möchte so gerne schreiben lernen. Und das geht am besten auf Pergament.“
Hans hatte den Kopf geschüttelt und gemeint, es sei wenig schicklich für ein Mädchen ihres Standes, diese obendrein so nutzlose Kunst beherrschen zu wollen. Aber als guter Freund hatte er sie nicht im Stich gelassen. Heimlich und ohne Wissen seines Vaters hatte er ein Stück Kalbsfell abgeschabt und dann die Haut über einen Monat in Kalklauge reifen lassen. Anschließend hatte er sie immer wieder gewässert und mit Asche eingerieben, bis auch das letzte bisschen Fett und Gewebe verschwunden war. Zum Schluss hatte er die Haut in einen hölzernen Rahmen gespannt und trocknen lassen.
Hanna hatte lange warten müssen, aber eines Tages, als sie schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, hatte Hans ihr stolz ein ziemlich großes, durchscheinendes Stück Pergament präsentiert.
Nun hatte sie nur noch Tinte gebraucht. Es hatte sie viel Zeit und unzählige Versuche gekostet, bis sie herausgefunden hatte, dass sich aus der Rinde der dornigen Schlehenzweige, mit Wasser angesetzt und mit Wein aufgekocht, eine farbige Brühe herstellen ließ. Diese Flüssigkeit ließ sich sogar zu einem Pulver trocknen, aus dem durch Zugabe von ein wenig aufgewärmtem Wein jederzeit die schreibfertige Tinte gewonnen werden konnte.
Hanna steckte den Beutel mit den Kräutern in den Sack, den sie über die Schulter geworfen hatte, klemmte das Bündel mit der Rolle unter den Arm und verließ die Hütte.
Bis zur Kirche waren es nur ein paar Schritte. Als Hanna die schwere Holztür aufstieß, schlug ihr eine angenehme Kühle entgegen. Der hohe Raum mit dem schmucklosen Altar, auf dem nichts als ein hölzernes Kruzifix stand, war größer, als es von außen den Anschein hatte.
Sie legte ihren Sack zur Seite, schlang das lange schwarze Haar zu einem Knoten und nahm den Steinboden in Augenschein. Er bestand aus unregelmäßigen Platten, deren Fugen mit festgestampfter Erde verfüllt waren. Es würde nicht allzu schwer sein, eine davon anzuheben und die Rolle unter ihr zu verbergen. Sie entschied sich für eine Steinplatte in der vorderen rechten Ecke der Kapelle. Hier würde es am wenigsten auffallen, dass die Erde gelockert worden war.
Außerdem waren die Ecken des Raumes markante Punkte, an denen Zacharias bestimmt zuerst suchen würde. Wenn es die Kapelle dann überhaupt noch gab ... Schnell schüttelte sie den Gedanken ab. Es hatte keinen Zweck, darüber nachzugrübeln, was alles passieren konnte, bis eines Tages, in einer fernen Zukunft, ein Junge namens Zacharias diesen Raum betrat.
Sie zog ein kurzes Messer hervor und kratzte die Erde aus den Fugen, bis sie die Eckplatte greifen und herausheben konnte. Der U ntergrund war trocken und sandig. Es war leicht, ein Loch zu graben, groß genug für das Bündel mit der Pergamentrolle. Sie strich noch einmal über die Leinenhülle, legte das Bündel in die kleine Grube und schob die Steinplatte wieder an ihren Platz. Zuletzt füllte sie die aufgegrabenen Fugen wieder auf und drückte die Erde fest, so gut es ging. Was übrig blieb, trug sie nach
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