Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
selbst zum Tanz aufspielt.“
„Der Knochen ist gerichtet“, antwortete Hanna, während sie die letzten Schweißtropfen wegtupfte und die Nadel zur Hand nahm. „Es sieht nicht schlecht aus, aber die Wunde muss noch genäht werden. Ich verspreche Euch, dass dies bei Weitem nicht so schmerzhaft sein wird wie das, was Ihr schon hinter Euch habt.“
„Dann mach endlich ein Ende. Ich ertrage es nicht mehr.“
Die Worte kamen so leise aus seinem Mund, dass sie kaum zu verstehen waren. Ein Windstoß fuhr in die Baumwipfel und sie sah hi nauf zu dem Stückchen Himmel, dass zwischen den Wipfeln der Tannen hoch über ihr wie ein grauer Fleck schwebte. Hoffentlich fing es nicht an zu schneien. Es war besser sich zu beeilen. Sie prüfte noch einmal die Lage von Willems Händen auf Geralds Oberschenkel. Es konnte losgehen.
„Jetzt!“
So, wie es ihm gezeigt worden war, presste Willem die Wundränder sacht zusammen. Hanna setzte die Nadel an und stieß sie durch das nachgiebige, weiche Fleisch und zog flink den Faden hinterher, bis er sich wegen des dicken Knotens an seinem Ende nicht mehr weiterbewegen ließ. Dann führte sie die Nadel etwas versetzt durch den gegenüberliegenden Wundrand. Sie wiederholte das Ganze, bis sie sicher war, dass das gekreuzte Garn Muskeln und Haut so zusammen hielt, dass die Verletzung heilen konnte.
Gerald hatte sich erstaunlicherweise kaum gerührt. Hanna vermutete, dass sein Bein von der vorangegangenen Prozedur noch so sehr schmerzte, dass er von den Stichen der Nadel nicht viel gespürt hatte. Es war keineswegs immer der Fall, dass Verletzte still hielten, wenn ihnen die grobe Nadel durch das Fleisch fuhr. Nadeln mit feinen, schlanken Spitzen wären längst nicht so schmerzhaft, aber sie machte sich keine Illusionen. Kein Schmied der Welt würde jemals das Geschick besitzen, solche Nadeln herzustellen.
Ihre Kopfbewegung bedeutete den Männern, Gerald loszulassen. Sie griff zu dem Krug mit dem Rotwein und goss etwas davon über die frische Naht. Dann tränkte sie einen der Lappen mit Johanniskrautöl. Sie breitete ihn über die Wunde, wobei sie sorgfältig darauf achtete, dass er überall glatt auflag. Zuletzt wickelte sie Stofffetzen um den Schenkel, bis der ölige Lappen vollständig bedeckt war. Mit den restlichen Tüchern schnürte sie die beiden Äste rechts und links so eng an das verletzte Bein, dass Gerald es nicht bewegen konnte. So bekam der Knochen die Ruhe, die er brauchte, um wieder zusammenzuwachsen und zu alter Stärke zu finden.
Nun hatte sie alles getan, was in ihrer Macht stand. Geralds Gesundung lag nicht mehr in ihrer Hand. Die Natur würde allein darüber entscheiden. Doch er war stark, er konnte es schaffen. Sie räumte ihre Sachen in den Ledersack, band ihn sorgfältig zu und stand auf.
„Er muss sich jetzt ausruhen“, sagte sie in die Runde. „Ihr solltet ihn vorsichtig zurück auf sein Lager bringen. Jemand muss die Verbände wechseln, mindestens alle zwei Tage. Wenn ihr kein Johanniskrautöl habt, tränkt einen Lappen mit rotem Wein und legt ihn auf die Wunde. Anschließend müssen die Stöcke wieder an das Bein gebunden werden, damit euer Herr es nicht bewegen kann.“
„Wird er wieder gesund werden?“, fragte eine junge Frau mit struppigem, flachsblondem Haar, um das sie ein zerschlissenes Tuch g ewickelt hatte. Der beschwörende Tonfall zeigte, dass ihr Geralds Schicksal alles andere als gleichgültig war. Ob sie seine Frau war?
„Ich weiß es nicht“, sagte Hanna wahrheitsgemäß, während Willem und der Riese sich anschickten, Gerald wieder in seine Behausung zu schleppen. „Der Knochen wird sicherlich heilen, auch wenn das Bein vielleicht ein wenig krumm bleibt. Aber die Wunde selbst macht mir Sorgen. Wenn sie sich entzündet, wird er es schwer haben. Ich habe getan, was ich konnte. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung.“
„Ohne dich würde es keine Hoffnung für ihn geben“, sagte die Frau ernst und das zustimmende Tuscheln zeigte Hanna, dass ihr übriges Publikum ähnlich dachte.
Zacharias löste sich aus dem Kreis und klopfte ihr mit einem schiefen Grinsen auf die Schulter. „Das war wirklich unglaublich. Hast du so etwas schon einmal gemacht?“
Die Bewunderung, die in seinen Worten lag, tat ihr gut. „Nun ja, ich wusste, wie man näht. Aber einen Knochen in einer offenen Wunde zu richten …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, ich habe alles richtig gemacht.“
Ein Mann mit tief eingegrabenen Falten um den Mund reichte ihr
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