Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
bedacht, auf dem glitsch igen Grund nicht auszurutschen.
Unten roch es dumpf nach Erde und nasser Kleidung. Der Schein einer einzigen Kerze erhellte die Höhle notdürftig. Von Wurzeln durchzogene, feuchte Wände schimmerten in ihrem flackernden Licht. Auf dem Fußboden standen schlammige Pfützen.
Es dauerte einen Moment, bis sich Zacharias an die düstere Beleuchtung gewöhnt hatte. Die Decke aus Zweigen und Lehm war höher, als er vermutet hatte. Trotzdem war der Professor gezwungen, den Kopf einzuziehen. Hier unten war es zwar etwas wärmer als draußen, aber Zacharias schauderte bei dem Gedanken, in einem solchen Loch hausen zu müssen. Dagegen war Hannas Hütte geradezu komfortabel.
In einer Ecke, auf einem Lager aus trockenem Laub und Lumpen, lag Gerald. Selbst die unruhigen Schatten, die das Kerzenlicht auf ihn warf, verbargen nicht, dass sein Gesicht unter dem dunklen Haar weiß war wie frisch gefallener Schnee. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und die scharfen Linien um seinen Mund zeugten von dem, was er in den letzten Stunden erlitten hatte.
Ohne den Kopf zu bewegen, sah er Hanna an. „Ich weiß nicht, ob meine Knochen jemals wieder richtig zusammenwachsen. Aber wenn sie es tun, dann habe ich es dir zu verdanken.“
Er war heiser und Zacharias musste sich anstrengen, ihn zu verstehen. „Sage mir, Heilerin Hanna, wie kommt es, dass du dich trotz deiner Jugend so gut auf diese schwierige Kunst verstehst?“
„Alles, was ich kann, hat meine Mutter mir beigebracht.“ Ein feines Lächeln huschte über Hannas Gesicht. „Doch weiß sie so vieles mehr als ich. Ich habe noch viel zu lernen.“
„Und doch hast du nicht gezögert, dich meiner anzunehmen. Wie ich hörte, hast du dich heute Nachmittag auch um meine Leute gekümmert.“
Gerald versuchte, seine Lage ein wenig zu verändern. Als er sein geschientes Bein bewegte, stöhnte er auf. Hanna zeigte auf die Tücher, die um den Oberschenkel gewickelt waren.
„Die Verbände sollten mindestens alle zwei Tage gewechselt werden. Und Ihr müsst Ruhe halten und Euch möglichst wenig bewegen, sonst werdet Ihr Euer Bein verlieren.“
Ohne auf Hannas Ratschlag einzugehen, fuhr Gerald mit einem Seitenblick auf den Alten fort: „Das alte Klappergestell hier hat mir berichtet, dass ihr unterwegs nach Sonningen seid. Was führt euch dort hin?“
„Wir wollen zu meiner Mutter. Sie sitzt im Kerker von Burg Sonningen. Der Burgvogt war gestern in unserem Dorf und hat sie mitg enommen.“
„So, so, der Burgvogt.“ Gerald gelang mit Mühe ein spöttisches Grinsen. „Der treue Bluthund unseres geliebten Grafen. Mit Vergnügen würde ich seinen Kopf vom Halse trennen, wenn ich nur die G elegenheit dazu hätte. Und den des Grafen gleich dazu. Seine Reiter haben schon manchem von uns den Tod beschert. Mich selbst würde der Burgvogt am liebsten aufs Rad flechten. Aber dafür muss er mich erst einmal kriegen.“
Professor Freising räusperte sich vorsichtig. „Ich nehme an, Ihr werdet auch deshalb gejagt, weil Ihr und Eure Leute friedliche Reise nde überfallt?“
Die jähe Wut in Geralds Gesicht nahm seinen von Schmerz gezeichneten Zügen etwas von ihrer Bitterkeit. Zacharias bekam eine A hnung davon, wie furchteinflößend dieser Mann sein musste, wenn er gesund und im Vollbesitz seiner Kräfte war.
„Keiner von uns ist als Dieb oder Mörder geboren. Keiner von uns hat sich dieses vogelfreie Leben ausgesucht. Nein, Wilfried von der Gaag und sein feiner Graf haben uns zu dem gemacht, was wir sind. Vertrieben von unserem Land, weil wir den Zehnten nicht entrichten konnten, verdammt zu einem ehrlosen Vegetieren in den Wäldern, rechtlos und gehetzt, von Gott vergessen.“
Seine heisere Stimme war lauter geworden. „Nein, du Neunmalkluger. Du solltest nicht über etwas urteilen, das du nicht verstehst.“
Gerald schwieg erschöpft. Seine Hand zitterte, als er nach dem Wasserkrug neben seinem Lager griff. Bestürzt sah Zacharias Professor Freising an. Was war nur in ihn gefahren, so leichtsinnig zu sein? Doch der Professor hatte bereits erkannt, dass er zu weit gegangen war. Er verbeugte sich tief. „Ich erbitte Eure Verzeihung, wenn ich Euch beleidigt haben sollte. Das war nicht meine Absicht.“
Gerald antwortete nicht. Er nahm einen tiefen Zug aus dem Krug. Das Wasser lief ihm über Kinn und Brust, aber er schien es nicht zu bemerken. Ohne den Professor noch eines Blickes zu würdigen, fragte er Hanna: „Warum ist deine Mutter im Kerker? Was wirft
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