Die Zeitstraße
Zusammenhängen streckte sein Verstand die Waffen.
Paul Danbury verbrachte eine ruhige Nacht und setzte gleich am nächsten Morgen seine Vorbereitungen fort. Das einzige, was ihm dabei leid tat, war, daß er Geld ausgeben mußte, von dem jeder einzelne Dollar ihn deren acht bis zehn in der Währung des Jahres 2064 gekostet hatte. Die Erkenntnis, daß dafür die Preise im Jahre 1964 nur ein Drittel derer betrugen, die er aus seiner Zeit gewöhnt war, bereitete ihm nur geringen Trost.
An der Center Street, schräg gegenüber dem Postamt, betrieb die Firma Atlantic & Pacific Tea Company, kurz A&P genannt, neben dem Lebensmittel-Supermarket einen kleinen Laden für alkoholische Getränke. Dort ging Paul am frühen Morgen des 29. Mai einkaufen. Von den sechs gängigsten Biersorten kaufte er je eine Kiste. Überdies erstand er mehrere Flaschen schärferer Spirituosen, vor allen Dingen Whisky, und zwar Bourbon und Scotch, sowie Wodka und Gin. Der Verkäufer, ein älterer Mann, der dem Kunden vor Paul enthusiastisch versichert hatte, er werde nächstes Jahr in Pension gehen, lächelte ihm verständnisinnig zu.
»Für Memorial Day muß man Vorsorgen, wie?« lautete seine rhetorische Frage.
»Auf jeden Fall«, antwortete Paul gutgelaunt. »Kein Fest ohne Bier und Schnaps.«
»Ganz richtig«, lachte der Alte, während er die Preise in die Registrierkasse tippte. »Das macht sechsundachtzigvierunddreißig, einschließlich Steuer.«
Paul bezahlte und merkte, daß ihn der Alte dabei musterte. Er sah auf.
»Sie dürfen mir’s nicht übelnehmen«, entschuldigte sich der Verkäufer. »Aber Sie erinnern mich an jemand.«
»So …?« machte Paul, unangenehm berührt.
»Ja. Und wissen Sie an wen? Den alten Charley Danbury. Kennen Sie den?«
Und ob Paul ihn kannte! Charles S. Danbury war sein Urgroßvater, gestorben im Jahr 1962. Er schüttelte den Kopf.
»Nein, mir unbekannt. Kein Wunder, ich bin gar nicht aus dieser Gegend.«
Der Alte lachte verlegen.
»So eine Ähnlichkeit. Fast kaum zu glauben!«
Paul sah zu, daß er aus dem Laden kam. Wegen des Umfangs seines Einkaufs mußte er allerdings mehrere Gänge machen. Als er zum letzten Mal das Geschäft betrat, war ein weiterer Angestellter, ein jüngerer Mann, durch eine rückwärtige Tür in den Laden getreten.
»Der alte Charley«, hörte Paul den Alten sagen. »Wie er leibt und lebt!«
»Einen schönen Feiertag«, rief Paul und schritt zum letzten Mal durch die Tür.
Der Zwischenfall gab ihm zu denken. Sein Unternehmen war bis ins letzte Detail geplant. Das war gut. Paul Danbury war ein überzeugter Anhänger der detaillierten Planung. Aber Planung bis in die winzigste Kleinigkeit hatte einen schwerwiegenden Nachteil: Sie ließ dem Ausführenden keinen Spielraum, keine Bewegungsfreiheit. Der geringste Fehlschlag würde den ganzen Plan über den Haufen werfen. Ein solcher Fehlschlag konnte zum Beispiel dadurch ausgelöst werden, daß die Leute auf Paul Danbury aufmerksam wurden, weil er seinem Urgroßvater Charles ähnlich sah. Paul nahm sich vor, sich so selten wie möglich in der Öffentlichkeit zu zeigen – ein Vorsatz, der um so schwerer auszuführen war, als der Verlauf des Tages von ihm verlangte, daß er Leona Zavecchi, Giulios Frau, beschattete.
Zunächst jedoch kehrte er ins Motel zurück. Da er den Wagen unmittelbar vor seiner Zimmertür parken konnte, ließ es sich so einrichten, daß niemand ihn beobachtete, als er den umfangreichen Einkauf Kiste um Kiste und Flasche um Flasche ins Zimmer trug. Sodann entwickelte Paul eine fieberhafte Aktivität. Zu den Geräten, die er aus seiner Zeit mitgebracht hatte, gehörten ein Injektor mit nadelscharfer Kanüle und mehrere Plastikampullen eines Medikaments, das er vorteilhaft anzuwenden gedachte.
Er zog aus einer der Ampullen eine Spritze auf und machte sich damit an die erste Bierdose. Die Kanüle drang ohne Schwierigkeit durch das dünne Aluminium. Es gab ein leises Zischen, das jedoch nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte. Die Kanüle selbst schloß mit ihrem Querschnitt das Loch in der Dose so vollständig ab, daß nur ein kleiner Teil des über dem Bier komprimierten Kohlendioxyds entwich. Paul betätigte den Injektor und entleerte einen halben Kubikzentimeter des Medikaments in das Bier. Zum Schluß griff er mit der freien linken Hand nach einer Plastiktube Metallkleber, und noch während er die Kanüle aus dem durchlöcherten Dosendeckel zog, brachte er ein winziges Quantum Kleber rings um das Loch
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