Die Zeitstraße
der gebotenen Besinnlichkeit ihrer religiösen Pflicht auf dem Friedhof nachgingen, wußten mit den beiden umnebelten, schwankenden Gestalten wenig anzufangen. Zwei besonders Beherzte versuchten, Giulio und Elmer zum Nachhausegehen zu bewegen. Dabei fielen wahrscheinlich ein paar unschöne Worte, die die beiden Betrunkenen nicht auf sich sitzen lassen wollten.
Es kam, wie es kommen mußte: jemand rief die Polizei, und die beiden Trunkenbolde wurden zunächst einmal in die Zelle gesperrt. Als sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten, ließ man sie zwar wieder frei. Aber ein paar Wochen später wurden sie vor Gericht gestellt und wegen Volltrunkenheit in der Öffentlichkeit und Erregung öffentlichen Ärgernisses zu fünf Tagen Haft und je einhundert Dollar Geldstrafe verurteilt.
Paul Danbury war fest davon überzeugt, daß dieselbe Serie von Ereignissen in der kommenden Nacht und am darauffolgenden Morgen sozusagen zum zweiten Mal abrollen werde. Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Bis zu dem Punkt nämlich, an dem Elmer S. Danbury erschossen wurde, von seinem Enkel Paul, mit Giulio Zavecchis Pistole. Den weiteren Ablauf der Dinge stellte sich Paul so vor: es würde ihm ein leichtes sein, dem vor Schreck erstarrten und obendrein volltrunkenen Giulio Zavecchi sofort nach dem tödlichen Schuß die Pistole in die Hand zu drücken und sich schnellstens aus dem Staub zu machen. Wahrscheinlich würde Giulio die Pistole, wenn er sich vom ersten Schreck erholte, wegwerfen. Aber das spielte keine Rolle. Es ging nur darum, daß seine Fingerabdrücke auf der Waffe zurückblieben. Die Polizei würde sich einschalten. Giulio erstattete Bericht. Die Wirkung des Alkohols sorgte dafür, daß er sich an manche Einzelheiten nicht mehr erinnerte. Er verwickelte sich in Widersprüche. Elmers Leiche wurde obduziert. Man fand das Gift. Auch Giulio wurde untersucht. Auch bei ihm wurden Giftspuren gefunden. Der Zusammenhang war unübersehbar: Giulio hatte zuerst versucht, Elmer Danbury zu vergiften. Das Gift war dem Alkohol beigemengt, den die beiden Männer in der vergangenen Nacht konsumiert hatten. Giulio hatte wohl gewußt, daß eine geringe Menge Digitalin wohl dem herzkranken Elmer Danbury, aber nicht ihm selbst gefährlich werden konnte. Trotzdem war er zu vorsichtig gewesen. Die Giftmenge reichte nicht aus, um Elmer zu töten. Da beschloß Giulio, auf rabiatere Weise nachzuholen, was ihm auf die elegante Tour mißlungen war: auf dem Friedhof erschoß er Elmer mit seiner Pistole.
So und nicht anders würde sich die Polizei den Fall zurechtlegen. Alles Gerede von einem dritten Mann, der plötzlich auf dem Friedhof hinter den Büschen aufgetaucht sei und den tödlichen Schuß abgefeuert habe, würde man als pure Erfindung verwerfen. Niemand würde jemals auf die absurde Idee kommen, es sei ein Mann aus der Zukunft in die Vergangenheit gereist, um Elmer S. Danburys Tod zu bewirken. Freilich würde auch Giulio Zavecchis Motiv für ewig ein Geheimnis bleiben. Aber wer kümmerte sich schon um ein Motiv, wenn die Indizien so überwältigend waren!
Am späten Nachmittag fuhr Paul hinaus an den Westrand der Stadt. An der Lydall Street parkte er seinen Wagen und wanderte dann in der Art eines Spaziergängers, der kein bestimmtes Ziel verfolgt, die Straße entlang. Er hatte sich einen Hut gekauft und trug ihn tief in die Stirn gezogen. Auf diese Weise befand sich die obere Hälfte seines Gesichts im Schatten, und niemand, der ihn nicht aus der Nähe musterte, konnte die Ähnlichkeit mit Charles Danbury bemerken.
Gegen vier Uhr näherte er sich den beiden flachen Gebäuden, die einen breiten Hof zwischen sich einschlossen, auf dem kunterbunt ein paar Lastwagen älterer Machart umherstanden. Auf dem Hof waren ein paar Männer am Arbeiten. An einem der Lastwagen war die Motorhaube aufgeklappt. Ein Mann in schmutzigen Overalls, von dem nur die untere Hälfte des Körpers zu sehen war, hantierte am Motor herum. Ein zweiter saß im Führerstand. Der Mann mit den schmutzigen Overalls richtete sich auf und rief dem andern zu:
»Versuch’s noch mal!«
Der Mann im Führerstand betätigte den Anlasser. Röhrend und fauchend erwachte die schwere Maschine zum Leben. Aus dem Auspuff kam eine Wolke dicken, blauen Rauchs. Der Mann in den Overalls sprang vom Schutzblech herab. Der zweite kletterte aus dem Führerstand. Grinsend schüttelten sie einander die Hände. Sie sprachen miteinander; aber Paul konnte kein Wort verstehen. Der Motorenlärm
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