Die Zeitung - Ein Nachruf
Twain engagierten.
Technologische Neuerungen, Beschleunigungsprozesse sozialer, vor allem durch die fortschreitende Urbanisierung angestoßener Art und technologischer Art (Kommunikationstechnologien), das Verhältnis zwischen Text und Bildern, die manipulativen Versuchungen für große Medien, ethische Fragen im Zusammenhang mit dem investigativen Journalismus, Differenzierungschancen der unterschiedlichen Medien innerhalb des Phänomens der gleichzeitigen Ausfaltung verschiedenster Gattungen, die Frage nach demokratiepolitisch „gesunden“ Eigentumsverhältnissen in der Medienbranche – alles, was heute die allgemeine Mediendebatte dominiert: Rund um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die Themen gesetzt, die wesentlichen Parameter waren klar.
Konzentrationsprozesse
Dazu gehörte und gehört ganz wesentlich die Frage der „Medienkonzentration“: Frank Andrew Munsey, der sich in die Mediengeschichte eingeschrieben hatte, weil er die kommerziell ziemlich erfolgreiche Idee hatte, Magazine auf minderwertigem Papier zu drucken und so für die Masse erschwinglich zu machen, wagte bereits 1893 die Vorhersage, dass es „nicht viele Jahre – vielleicht fünf oder zehn“ – dauern würde, bis „das Verlagsgeschäft in diesem Land von einigen wenigen, maximal drei oder vier, Konzernen übernommen wird“.
Munsey, dessen Reichtum sich nicht unwesentlich der Tatsache verdankte, dass er bereit war, Magazine, die nicht funktionierten, sofort einzustellen und durch neue zu ersetzen, hatte sich zwar im Zeithorizont verschätzt, nicht aber in der Sache selbst. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte in den USA tatsächlich ein massiver Konsolidierungsprozess ein, und Frank Munsey, dem man den Spitznamen „Zeitungs-Exekutor“ gegeben hatte, war Teil dieser Entwicklung, in der es darum ging, durch Marktbereinigungen den verbliebenen Eigentümern ein größeres Stück vom Kuchen zu sichern. Neben Munsey gehörte natürlich Randolph Hearst zu den ersten großen Konzernherrn. Hearst vereinigte 1922 in seiner Gruppe 20 Tageszeitungen, elf Sonntagszeitungen, zwei Nachrichtenagenturen und eine der ersten Wochenschauen. Der Dritte im Bunde war Edward W. Scripps: Er hatte 1878 mit geborgten 10.000 Dollars in Cleveland die
Penny Press
gegründet und im Lauf der Jahre mehrere Zeitungen akquiriert. 1890 fasste er seine Aktivitäten unter dem Dach der „Scripps-McRae League“ zusammen, 1914 gehörten 23 Zeitungen zu seinem Konzern. Die Scripps-Gruppe mit dem Leuchtturm-Logo existiert nach vielen erfolgreichen Transformationen noch heute und konzentriert sich auf elektronische und digitale Angebote.
Alfred Harmsworth (1865–1922), Viscount of Northcliffe, beherrschte am Beginn des 20. Jahrhunderts die britische Medienlandschaft.
Was Hearst in den Vereinigten Staaten war, war in England Lord Northcliffe. Alfred Harmsworth, als Anwaltssohn in London aufgewachsen, war der erste Verleger, der im Vereinigten Königreich im großen Stil Boulevardzeitungen herausbrachte. 1894 übernahm er die
Evening News
, 1896 gründete er die
Daily Mail
, 1903 den
Daily Mirror
. Die großen Schlagzeilen, die Sportberichterstattung, Themen wie Mode und Kochen, der hohe Foto-Anteil und der niedrige Verkaufspreis waren Innovationen, die seine beiden Zeitungen zu den meistgelesenen Tageszeitungen des Vereinigten Königreiches machten. Mit der Akquisition des
Observer
, der
Times
, des
Daily Express
, der
Sunday Times
und der
Evening News
baute er den größten Medienkonzern des Vereinigten Königreichs auf.
Der 1904 zum Baron geadelte und 1917 zum Viscount Northcliffe erhobene Alfred Harmsworth war imperial und antideutsch gesinnt, seine Blätter schürten die englische Kriegsbegeisterung und kampagnisierten nach dem Krieg gegen die geplante Verringerung der Reparationsforderungen gegen das Deutsche Reich. Ab 1904 im Oberhaus vertreten, wurde er zwar Mitglied einer Kommission, die von Juni bis November 1917 die gemeinsamen Kriegsanstrengungen von USA und Großbritannien koordinieren sollte, und übernahm 1918 im Auftrag des Informationsministeriums das Amt eines „Director of propaganda in enemy countries“, ein Regierungsamt lehnte er aber ab – es hätte bedeutet, dass er die Regierung nicht mehr kritisieren hätte können, und das wollte er nicht.
Auch auf dem Festland begannen die Regierungen unter dem Druck der medialen Dynamik ihr Verhalten gegenüber den mächtiger werdenden Verlegern zu ändern. Repression wurde durch
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