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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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Filmgesellschaften und zahlreichen Zeitungsbeteiligungen auf. Das strategische Konstrukt wurde Anfang der 20er Jahre durch zwei weitere Gründungen komplettiert: Die „Mutuum Darlehen Aktiengesellschaft“ vergab als Zeitungsbank Kredite an einige Zeitungen, beteiligte sich an anderen und verband beide der VERA. Mit der „WiPro“, der „Wirtschaftsstelle der Provinzpresse“, wurde der Verkauf von Nachrichten optimiert, man lieferte fertige Matern – in Pappstreifen gepresste Leitartikel, Nachrichten, Romane, und Sportberichte, die in der Provinz mittels Gießmaschinen zu Druckplatten umgewandelt wurden – an Kleinverlage. Der Kundenstamm von Hugenbergs Print-Imperium war Ende der 20er Jahre auf 1.600 Zeitungen angewachsen, als er sich 1927 die UFA (Universal Film AG) einverleibte. Zum Generaldirektor machte er seinen Weggefährten Ludwig Klitzsch, mit dem er bereits 1916 die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft (ab 1920 Deuligfilm A.-G.) gegründet hatte.
    Alfred Hugenberg war Ende der 20er Jahre der „Herr über Presse und Film“, aber er wollte mehr. Als Vorsitzender und Reichstagsabgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) hatte er schon seit Langem versucht, sein nationalistisches, antidemokratisches Programm auch politisch umzusetzen. 1919 verbündete er sich mit Adolf Hitler im Reichsausschuss für das Volksbegehren gegen den Young-Plan: Man forderte Haftstrafen für alle Minister, die den Owen-Young-Reparationsplan unterzeichneten. Das Volksbegehren scheiterte, aber Hugenbergs Zeitungen hatten Hitlers NSDAP in Deutschland bekannt gemacht. Als 1931 die sogenannte „Harzburger Front“ zum Sturz der Regierung Brüning aufrief, waren Hugenberg und Hitler erneut Partner. Hitler wäre 1933 ohne Hugenberg und die DNVP nicht Kanzler geworden, was ihn aber nicht darin hinderte, den Wegbegleiter, der von Hindenburg noch zum Wirtschaftsminister ernannt worden war, nach wenigen Monaten ins Abseits zu drängen. Hugenburgs Imperium bot die idealen Startbedingungen für die Arbeit des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels.

    Ein abwechslungsreiches Leben zwischen Medien und Politik: Georges Clemenceau (1841–1929), der große Gegenspieler der Deutschen und Österreicher in Versailles.
    Auch im verfeindeten Nachbarland Frankreich war in der Dritten Republik ein Mann prägend, der zwischen Medien und Politik hin- und herwechselte: Georges Clemenceau. Bereits 1861 gründete er mit politischen Freunden die Wochenzeitung
Le Travail
. Als Gegner des Zweiten Kaiserreiches und Anhänger der Republik war er mehrfach kurzzeitig in Haft gewesen, ehe er 1865 für fünf Jahre in die Vereinigten Staaten ging, deren demokratische Freiheiten, besonders die Redefreiheit, auf ihn einen großen Eindruck machten. 35 Nach seiner Rückkehr wurde er Bürgermeister von Montmartre, ein Jahr später saß er als Abgeordneter der Radikalsozialisten in der Nationalversammlung, wo er gegen den Frieden mit Deutschland stimmte. Clemenceau spielte auch eine der Hauptrollen in der Dreyfus-Affäre: Als Eigentümer und Herausgeber der von ihm im Jahr davor gegründeten Tageszeitung
L’Aurore
setzte er sich 1898 für den zu Unrecht wegen Spionage für den Feind verurteilten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus ein. Sein wichtigster Mitstreiter war der Schriftsteller Émile Zola, dessen 1898 in
L’Aurore
veröffentlichter Appell
J’accuse
Geschichte schrieb. Nach seiner ersten Periode als französischer Ministerpräsident betätigte er sich bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs hinein wieder als Zeitungsherausgeber, ehe er ab 1917 als Ministerpräsident und Kriegsminister wieder in den politischen Ring stieg. In Versailles trat Clemenceau 1919 als entschiedener Gegner der Deutschen auf, die er zum Schutz Frankreichs nach Möglichkeit schwächen wollte. Er hatte neben Elsass-Lothringen und dem Saargebiet auch das Rheinland gefordert, auf Letzteres aber verzichtet, um das Bündnis mit Großbritannien nicht aufs Spiel zu setzen.
    Das „Goldene Zeitalter“ der Zeitungen war eine Boomphase für die Parteipresse, jedenfalls in Zentraleuropa. Was rückblickend wie ein Anachronismus oder wie eine neue Form der journalistischen Abhängigkeit erscheinen muss, war aus der Sicht der zeitgenössischen Journalisten das Gegenteil davon: Parteinähe bedeutete Unabhängigkeit von den Regierungen. Denn die Massenpresse tendierte zur Unterstützung der herrschenden Politiker, durch die Parteipresse gab es mediale Konkurrenzveranstaltungen auch dort, wo es

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