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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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den Versuch ersetzt, die entscheidenden Journalisten durch das Angebot informeller Beziehungen oder aber finanzieller Zuwendungen zu lenken. Unter Bismarck wurden aus dem sogenannten „Reptilienfonds“, der aus dem beschlagnahmten Welfen-Vermögen stammte, Honorare an regierungsnahe Journalisten und Zeitungen bezahlt. Zugleich subventionierte man die wichtigste Nachrichtenagentur WTB (Wolffs Telegraphisches Bureau) und versorgte die Provinzpresse mit günstigem Nachrichtenmaterial unter dem Titel
Provinzial Correspondenz
. Die Regierung in Wien verfuhr mit ihrer
Österreichischen Correspondenz
und ihrem privilegierten Zugriff auf telegrafische Meldungen ähnlich. Auch diese Methode verlor allerdings mit dem Aufkommen der Massenpresse ihre Wirksamkeit, weil einige der Bestechungsversuche öffentlich wurden und für Skandale sorgten.
    In Deutschland hatten sich um die Jahrhundertwende drei große Medienfiguren etabliert: Rudolph Mosse, der vom Anzeigengeschäft herkam, der Druckerei-, Papier- und Vertriebsspezialist Leopold Ullstein und der konservative Verleger August Scherl. Mosse hatte als einer der Ersten den gesamten Anzeigenteil mehrerer Zeitungen gepachtet, um ihn an Werbekunden weiterzuverkaufen. Ullstein hatte, nachdem er das
Neue Berliner Tagblatt
, die dazugehörige Druckerei und die
Berliner Zeitung
erworben hatte, den nach ihm benannten Verlag gegründet und die
Berliner Illustrirte Zeitung
zur bedeutendsten deutschen Wochenzeitung fortentwickelt. Nach seinem Tod im Jahr 1899 führten seine Söhne den Verlag weiter, sie hatten so bedeutende Blätter wie die
Vossische Zeitung
in ihrem Portfolio und gründeten 1903 den Ullstein-Buchverlag und 1919 den Propyläen-Verlag.
    Der Dritte im Bunde war August Scherl. Er hatte 1883 mit dem
Berliner Lokal-Anzeiger
den ersten deutschen Generalanzeiger und 1899 das illustrierte Wochenblatt
Die Woche
gegründet. 1904 übernahm Scherl mit der
Gartenlaube
eine der Ikonen deutscher Zeitungsgeschichte. Mitte des Jahrhunderts in der Tradition der „moralischen Wochenschriften“ gegründet und der Etablierung des bürgerlichen Wertekodex verpflichtet, hatte sich die
Gartenlaube
nach der Reichsgründung 1871 zum Sprachrohr preußischer Politik und zur nationalliberalen Stimme im Kulturkampf entwickelt, um schließlich zum konservativen Unterhaltungsblatt zu werden, das sich der nationalkonservative Verleger Scherl Anfang des 20. Jahrhunderts einverleibte. 1914 verfügten Scherls Zeitungen über 300 Millionen Leser. Allerdings waren seine Zeitungsprojekte nicht durchwegs erfolgreich, sodass Scherl, der ein ausgeprägtes Interesse für Verkehrsinfrastrukturen hatte und seine Ideen zu einem neuen Schnellbahnsystem in Buchform veröffentlichte, seine Medienbeteiligungen zunächst an eine von Baron Alfred von Oppenheim und dem Kölner Finanzier Louis Hagen gegründete Holding namens „Deutscher Verlagsverein“ verkaufte.
Der „Herr über Presse und Film“
    1916 übernahm dann jener Mann die Unternehmensgruppe, der die deutsche Zeitungsszene während der Weimarer Republik entscheidend prägen und ihre Indienstnahme durch den Nationalsozialismus inszenieren sollte: Alfred Hugenberg. Hugenberg war seit 1909 als Finanzchef und Direktoriumsvorsitzender der Friedrich Krupp AG tätig gewesen und hatte ab 1913 begonnen, kleinere Nachrichtenbüros aufzukaufen, die er zur Telegrafen Union GmbH (TU) zusammenführte, mit dem Ziel, das Monopol des Wolff’schen Telegraphen Bureaus (WTB) zu brechen. Rudolph Mosses Position als führender Anzeigenvermarkter griff Hugenberg fast gleichzeitig mit der Übernahme des Vorsitzes in der Scherl-Gruppe durch die Gründung der „Ala“ („Allgemeine Anzeigen GmbH“) an: Durch den strategischen Zukauf des Zweigniederlassungsnetzes zweier Konkurrenten wurde die „Ala, Vereinigte Anzeigengesellschaft Haasenstein und Vogler, Daube und Co.“ innerhalb eines Jahres zum größten Anzeigenvermarkter Deutschlands.

    „Herr über Presse und Film“, antidemokratischer Politaktivist und Wegbereiter für das Medienimperium der Nationalsozialisten: Alfred Hugenberg (1865–1951).
    Um im Kampf um die deutsche Provinzpresse effizienter zu sein, gründete Hugenberg die VERA, ein Unternehmen, das Einfluss suchende Großindustrielle bei der Investition in Zeitungsunternehmen beriet. In den folgenden Jahren baute Hugenberg aus dem Scherl-Verlag und der Telegrafen-Union ein Medienkonglomerat aus Verlag, Nachrichtendiensten, Werbeagenturen, Korrespondenzdiensten,

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