Die Zeitung - Ein Nachruf
verschwunden ist. Die beschreibt, warum Millionen Deutsche nicht mehr zur Tageszeitung greifen, die all das bündelt, was Leser, Journalisten, Blogger, Medienexperten an den Tageszeitungen kritisieren. Die diese Kritik gewichtet und in das Konzept einer Tageszeitung gießt, die den Bedürfnissen vieler Leser – besonders jüngerer Leser – mehr entspricht. Die aufzeigt, warum die Digitalisierung dem Journalismus mehr geben als nehmen kann, wenn wir das Richtige tun. Und die am Ende die Tageszeitung wieder zum Marktplatz der Öffentlichkeit macht.“
Weil
Spiegel
-Redakteure gebildete Menschen sind, präsentierten sie ihren Rettungsplan als Weiterentwicklung dessen, was vor einem halben Jahrhundert Jürgen Habermas und Niklas Luhmann versucht hatten: ein anschauliches Modell für den jüngsten „Strukturwandel der Öffentlichkeit“:
Dass die Journalisten die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen, kann nicht schaden. Dass sie es mit der volkspädagogischen Haltung tun, die für die Entwicklung der Nachkriegsjahrzehnte so typisch geworden ist – „jetzt zeigen wir euch mal, was ihr verliert, wenn ihr weiterhin so dämlich seid, liebe Leser, euch von uns nicht mehr die Welt erklären zu lassen“ –, muss einen nicht wirklich wundern. Die Einschätzung, dass es den Journalismus geben wird, was immer mit der gedruckten Tageszeitung passieren wird, ist wohl zutreffend. Ebenso zutreffend ist, dass der Journalismus, der sich derzeit selbst beschwört, Teil der Krankheit ist, als deren Heilung er sich ausgibt.
Das hat in Deutschland und Österreich vor allem damit zu tun, dass sich die Journalisten als eine eingesetzte pädagogische Institution verstehen – verführt durch das von den Besatzungsmächten durchgesetzte Narrativ, die Medien als „vierte Gewalt“ seien von oben legitimiert (in diesem Fall von den Siegermächten, die sich den von den Nationalsozialisten Verführten aus nachvollziehbaren Gründen moralisch und politisch überlegen fühlten). Das Bild, das sie von sich haben, ist nicht das eines Mitarbeiters in einem Dienstleistungsunternehmen, sondern sie begreifen sich als Gottes (oder, je nach ideologischer Präferenz: des Weltgeistes) Geschenk an die Demokratie. Weil man ihnen jahrzehntelang eingeredet hat, dass ihre Tätigkeit, und zwar bereits von den Anfängen in der lokalen Kriminalberichterstattung an, am ehesten mit jener von Verfassungsrichtern zu vergleichen sei, benehmen sie sich auch so.
Jetzt beginnen wir Journalisten also, über uns selbst, unsere Branche und deren wirtschaftliche Rahmenbedingungen nachzudenken, selbstverständlich öffentlich, denn wenn es einer Säule der Demokratie schlecht geht, geht das nicht nur die Branche etwas an, sondern zumindest alle (alle sollen ja auch im Zweifel für die Subventionen aufkommen, mit denen man den bisherigen Betrieb, wenn es anders nicht geht, aufrechterhalten soll). Dieses öffentliche Nachdenken über die eigene Situation leidet in der Regel darunter, dass die nachdenkenden Journalisten von den ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen sie unter Umständen schon ein Leben lang arbeiten, keine Ahnung haben. Es wäre weltweit in keiner anderen Branche denkbar, dass ziemlich gut bezahlte Führungskräfte (zum Beispiel die Ressortleiter großer Zeitungen) über das Geschäftsmodell der eigenen Branche exakt nichts wissen.
Hätte irgendein Teilbereichsleiter in der Autoindustrie oder ein Chefanimator in der Tourismusindustrie das Branchenwissen einer journalistischen Führungskraft, würde er in der Sekunde seinen Job verlieren. In der Medienbranche gilt es hingegen nach wie vor als Zeichen der heroischen Unbeugsamkeit und des unverbrüchlichen Qualitätsbewusstseins. Dass es mit der Branche ein Problem gibt, wissen die Damen und Herren Edeljournalisten nicht aus eigener Anschauung, sondern aus den Mitteilungen ihrer Unternehmensleitungen, die meistens mit der Ankündigung von Stellenabbauplänen einhergehen, was die Betroffenen natürlich erstens für katastrophal, zweitens für unbotmäßig und drittens für einen unwiderlegbaren Beweis dafür halten, dass die giergetriebenen Gepflogenheiten des kapitalistischen Systems auch vor den heiligen Hainen der Medien und des Journalismus nicht mehr haltmachen.
Das kleine Ich im geistigen Zusammenhang
Ja, das „Prinzip Zeitung“ wird selbst diese Krise überleben, weil das „Prinzip Journalismus“ das ewige Leben hat. Wir erinnern uns an Walther Heides bereits 1931 beschriebenen
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