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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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waren sie bereits bei Sonnenaufgang auf der Straße nach Oxford und machten dann eine Rast im Golden Cross, um zu frühstücken. Anschließend setzten sie ihre Reise fort.
    Kaum waren sie außerhalb von Headington, begann es wieder zu regnen - ein scheußliches tröpfelndes Nieseln. Kit hatte Mitleid mit Giles, der in gebeugter Haltung allein auf seiner Bank saß und im Regen durch eine trostlose, nasse Landschaft fuhr. Nach einiger Zeit kletterte Kit nach oben und setzte sich neben seinem neuen Freund, nur um ihm Gesellschaft zu leisten. Doch Giles fühlte sich offensichtlich unbehaglich, als er seinen Passagier vorne bei sich hatte. Zweifellos verletzte dies das eiserne gesellschaftliche Protokoll, das streng die unterschiedlichen Klassen auf ihren jeweiligen Plätzen hielt. Daher schlich Kit bei der erstbesten Gelegenheit zu seinem Sitz in der Kutsche zurück, und so war die Ordnung wiederhergestellt.
    Spät erreichten sie Chepping Wycombe, wo sie vor der Postherberge Four Feathers anhielten. Da sie am vorherigen Abend den größten Teil ihres Bargelds ausgegeben hatten, begnügten sie sich mit ein paar Fleischpasteten sowie Dünnbier und verbrachten die Nacht wieder in der Kutsche. Am nächsten Morgen gelangten sie auf die Straße nach London und mussten sich mit einem weiteren feuchten, trüben Tag abfinden.
    Das Fahren auf schlammigem Weg war eine quälend langsame Schinderei, und so hatte Kit viel Zeit, über die jüngsten Wendungen seiner besonderen misslichen Lage nachzusinnen. Ein ums andere Mal kam ihm folgender Gedanke: Wann immer es den Anschein hatte, dass es ihm gerade gelingen könnte, sich aus dem Unglückssumpf herauszukämpfen, drehte sich Lady Schicksal - diese heimtückische alte Schachtel - zu ihm um und klatschte ihn erneut zu Boden: zurück in den Morast.
    Es verschaffte Kit, wie er selbst bemerkte, nur eine geringe Befriedigung, sich solchen Grübeleien hinzugeben. Doch schließlich fand er heraus, dass es ihm ein bisschen half, sich vorzustellen, ein Schiffbrüchiger zu sein, der auf einem fernen Eiland namens »England im siebzehnten Jahrhundert« ausgesetzt war: einem total verrückten Ort, wo ihm jedes Ding auf merkwürdige Weise vertraut und doch gleichzeitig extrem fremdartig vorkam. Wie ein braver Schiffbrüchiger machte er nun eine Bestandsaufnahme seiner Lage sowie seiner Hilfsmittel und erkannte, dass er nicht vollkommen allein und auch nicht ohne beträchtliche Sachwerte war. Er hatte Sir Henrys Dach über seinem Kopf - oder würde es bald haben -, und es gab einige freundliche Eingeborene um ihn herum. Darüber hinaus hatten sie eine annähernd gemeinsame Sprache, die er immer besser fließend beherrschte, sodass er mit ihnen reden konnte.
    Er musste sich nur stets dabei konzentrieren. Selbst wohlbekannte Wörter wurden häufig anders ausgesprochen und konnten ungewohnte Bedeutungen haben. Die Begriffsinhalte waren nicht feststehend, sondern fließend, und es gab abweichende Definitionen. Ständig hielt er bei Gesprächen inne, weil ihm plötzlich klar wurde, dass das, was er gerade gesagt hatte, überhaupt nicht das war, was er gemeint hatte - oder zumindest nicht das war, was seine Zuhörer verstanden hatten. Dennoch bekam er die für ihn so heikle Sprache immer besser in den Griff, und sein Zutrauen in die eigenen sprachlichen Fähigkeiten wuchs ständig.
    Und was das Übrige betraf: Das Verschwinden von Cosimo und Sir Henry, denen die Burley-Männer direkt auf den Fersen waren ... Nun, es gab nichts, was er im Augenblick in dieser Sache tun konnte, und so legte er sie beiseite. Der nächste Punkt auf der Liste seiner Betrachtungen war die ungeheuerliche »mehrgeschossige« Theorie des Universums, die sein Urgroßvater verkündete. Ihre Auswirkungen waren einfach zu immens, um sie auf irgendeiner sinnvollen Ebene zu durchschauen. Ohne eine wissenschaftliche Ausbildung auf diesem Gebiet wusste Kit nicht, was er davon halten sollte. Tatsächlich war ihm nicht einmal richtig klar, wie man auch nur über irgendein Element dieser Theorie zu denken hatte. Wenn er doch nur dieses Buch gelesen hätte - dasjenige, was er stets hatte lesen wollen, das aber immer noch verstaubt und ungeöffnet in seinem Regal stand: Eine kurze Geschichte der Zeit von Stephen Hawking. Das hätte ihm vielleicht ein wenig geistige Wegzehrung für seine augenblickliche Entdeckungsreise mitgegeben. So aber geriet sein Verstand schon bei der bloßen Idee einer beinahe unendlichen Reihe von Universen ins

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