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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Schwimmen. Daher beschloss Kit, diese Theorie bis auf Weiteres ebenfalls zur Seite zu legen.
    Und so gelangte er bald zu der Schlussfolgerung, dass aufgrund seiner bedauerlichen Unwissenheit - oder, wie er es sich selbst schönredete, wegen des Mangels an brauchbaren Informationen - die klügste Vorgehensweise zu sein schien, die Dinge einfach so zu nehmen, wie er sie vorfand, und seine Sache so gut wie nur möglich voranzubringen, wo auch immer sich die Chance dazu bot.
    Der nächste Tag auf der Straße verlief im Wesentlichen wie der vorherige, und Kit langweilte sich in seiner erzwungenen Einsamkeit. Er döste immer wieder mal ein und wachte schließlich rechtzeitig auf, um zu bemerken, dass sie gerade auf London zurollten: eine Stadt, die er so gut kannte - und doch wiederum überhaupt nicht. Der Regen nahm an Stärke zu, als sie die Dörfer und Weiler am Rande der Großstadt passierten. Die schlammigen Verkehrsstraßen - Wege, die von Füßen und Rädern so aufgewühlt waren, dass sie sich in eine klebrige graue Suppe verwandelten - erschwerten das Vorankommen: Ein Gefährt nach dem anderen - gleichgültig, ob Bauernwagen, Kutsche oder Handkarren - blieb im pappigen Morast stecken und musste herausgezogen werden. Kit, der bis auf die Knochen fror, saß schlotternd in der relativen Behaglichkeit seiner Kutsche und beobachtete die schmuddelige Heerschar der Reisenden, die sich zu Fuß vorwärtsschleppten. Viele von ihnen hatten schwere Lasten bei sich - Bündel und Kisten, die sie nun auf ihren Köpfen trugen in dem vergeblichen Bemühen, den Regen von sich fernzuhalten. Das Wasser lief ihnen in Rinnsalen von den nach unten geklappten Krempen ihrer durchnässten Hüte und von den zerlumpten Enden ihrer dicht zusammengerafften Umhänge herab. Einige wenige Glückliche reisten in Sänften; die Diener allerdings, von denen sie getragen wurden, versanken bis zu den Unterschenkeln im Schlamm.
    Die in düsteren Farben gekleideten Einwohner der verregneten Hauptstadt erinnerten Kit an eine Schar sehr trauriger Amseln: das Federkleid verfilzt und nass bis auf die Haut, waren sie total unglücklich über ihren augenblicklichen Zustand. Entlang der Straße standen dicht an dicht aus rohen Brettern errichtete Werkstätten und Verkaufsstände, die alle unten mit Schlamm vollgespritzt waren. Dort gingen Schneider, Gerber, Bierbrauer, Barbiere, Färber, Tuchhändler, Walker und Fischverkäufer sowie Händler aller anderen Art ihrer Arbeit nach. Die verloren wirkenden Gesichter der Ladeninhaber starrten aus den düsteren Innenräumen nach draußen auf die Kavalkade der Unglücklichen, die an ihren mit Schmutz bespritzten Geschäftslokalen vorüberzog.
    Das Tageslicht verschwand rasch, als Giles schließlich mit geübter Hand die Kutsche auf die große London Bridge und die breite, mit Steinen gepflasterte Straße steuerte. Kit seufzte erleichtert auf, doch - ach! - das Reisetempo nahm nicht zu. Im Gegenteil: Es ging sogar noch langsamer weiter, als die durchnässten Einwohner wie in einen Trichter auf die Brücke strömten. Es war, als hätten sie sich verschworen, dafür zu sorgen, dass der Verkehr nur noch im Schneckentempo vorankam. Kit gab jegliche Hoffnung auf, Clarimond House vor Anbruch der Nacht zu erreichen, und starrte stumpfsinnig nach draußen auf die nasse Welt. Als die Kutsche schließlich durch die Pforte von Sir Henrys Herrenhaus rollte, wurden auf der Straße vor den größeren Gebäuden Fackeln angezündet.
    Sie rumpelten in den Hof, und ein Diener kam herausgerannt, um zu helfen, die Pferde auszuspannen und sie in die trockenen Ställe zu führen.
    Giles kletterte von seinem Sitz herab, um die Kutschentür für Kit zu öffnen, und sagte: »Begebt Euch nach drinnen und wärmt Euch auf, Sir.«
    »Ihr kommt auch, Giles.«
    »Ich werde Euch folgen, sobald die Kutsche untergebracht ist.«
    »Kann das nicht warten?«
    »Nein, Sir«, lautete die Antwort.
    Kit akzeptierte dies und rannte zum Haus. Wenige Augenblicke später stand er im hinteren Vorraum und schüttelte das Wasser von seinem Mantel. Ein großer Diener in einem roten Wams tauchte mit einem sauberen Leinentuch auf und reichte es Kit, ohne ein Wort zu sprechen. Kit wischte sein Gesicht ab und rieb sich das feuchte Haar. Dann gab er das Tuch zurück und bedankte sich.
    Daraufhin sprach ihn der Diener an. »Ihr werdet hungrig sein, Sir.«
    »Ja, in der Tat - ich bin ausgehungert«, erklärte Kit. »Gebt ein Festessen. Seit zwei Tagen haben wir nichts Gutes

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