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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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richtig?«
    Ich blickte durch Maylien hindurch in die Vergangenheit und sah tiefes Wasser und eine Sonne, die trüb von oben herabschien. Unter mir lag eine zerbrochene steinerne Göttin auf dem Grund des Sees. Wasserpflanzen umwucherten bereits ihr Haar. Obwohl meine Lunge schon brannte, tauchte ich tiefer, um meine Schwerter in eine geborstene Steinhand zu legen.
    »Ja«, sagte ich, »das tue ich nicht. Aber deswegen trifft das, wasich sage, auf dich und Sumey nicht weniger zu. Als der Tempel gefallen ist, habe ich mir die Last einer toten Göttin auf die Schultern geladen, und die Schuldgefühle haben mich vernichtet.«
    »Das verstehe ich nicht.« Mayliens Kopf kippte zur Seite. »Du bist doch jetzt hier und redest mit mir. Wie kannst du dann behaupten, die Schuldgefühle hätten dich vernichtet?«
    »Weil ich nicht mehr der Mann bin, der ich damals war, und eigentlich auch nicht der Mann, den du gesucht hast, um dir im Kampf gegen deine Schwester beizustehen. Aral Königsmörder, der Schwertführer der Namara, hatte keine Gelegenheit, bei der Verteidigung seiner Göttin den Tod zu finden, und die Schuldgefühle, die daraus entstanden, haben ihn so tief in die Flasche getrieben, dass er nie wieder herausgekommen ist. Ich mag noch dasselbe Gesicht haben und ich mag die Flasche mit ihm geteilt haben, aber ich bin nicht mehr er.«
    Ich lachte, und es klang roh in meinen Ohren, aber auch sonderbar hoffnungsvoll. »Vielleicht ist das der Grund, warum ich es nun doch geschafft habe, meinen Kopf wieder ins Licht zu erheben, weil ich endlich anfange, das zu begreifen.«
    Maylien trat näher und küsste mich sanft auf die Lippen.
    »Wofür war das?«, fragte ich nach einem endlosen Moment.
    »Für dein Verständnis.«
    Sie küsste mich wieder, dieses Mal länger.
    »Und das?«
    »Für die Zuwendung.« Dann lächelte sie in der Dunkelheit. »Und den Nächsten bekommst du, weil ich es einfach so will.«
    Dieses Mal erwiderte ich die Zärtlichkeit, und dafür musste ich mich nicht einmal bücken. Eine kurze Zeit hielten wir uns einfach dort in der Nacht in den Armen. Es war das erste Mal seit über fünf Jahren, dass ich eine Frau so hielt, und es fühlte sich gut an. Maylien fühlte sich gut an. Sie war stark und athletisch, wie Jax oder Siri oder eine der anderen Schwertführerinnen, mit denen ich das Bett geteilt hatte, aber irgendwie auch weicher. Sie roch nach der Straße und einem harten Ritt, aber auch nach Frau, und sie brachte mir lange vergessene Erinnerungen zurück. An Kameradschaft, an gemeinsame Ziele und an aus bloßer Verbundenheit gemeinsam verbrachte Nächte. Mir wurde klar, dass ich sie verzweifelt wollte.
    Aber dies war ein sehr langer Tag nach einer sehr langen Nacht gewesen, und ich fühlte, wie die Welt langsam nach links kippte. Als ich nach rechts zuckte, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, entschlüpfte Maylien meinen Armen, ehe sie mich halb zu meinem Farnbett führte, halb schleifte.
    »Trink aus«, sagte sie und gab mir die Tasse, und ich tat es.
    Dann drückte sie mich sanft auf das Farn und zog mir eine derbe Decke über den Körper. »Jetzt schlaf ein bisschen.«
    Ich streckte die Arme aus, strich mit der Hand seitlich von den Rippen bis zur Hüfte über ihren Leib. »Und morgen ...«
    »Wir werden sehen.« Sie lächelte mich an. Dann erhob sie sich, um sich um das Feuer zu kümmern.

17
    E inmal schrak ich in der Nacht hoch, als ich spürte, wie sich jemand über mich beugte. Reflexe legten mir mit einer kurzen Bewegung aus dem Handgelenk einen Dolch in die linke Hand, aber ich musste feststellen, dass es mir nicht möglich war aufzuspringen. Ich war viel zu schwach und zu benommen, um mehr zu tun, als mich aufzusetzen.
    »Ich bin es nur, steck das Ding weg, und schlaf weiter.« Maylien legte eine Hand auf meinen Brustkorb und drückte mich sanft runter. Dann legte sie eine zweite Decke über mich und schmiegte sich an meine Seite. »Die Nacht wird kalt werden, und wir werden weniger frieren, wenn wir teilen.«
    Ich war schon wieder weg, ehe ich Gelegenheit hatte, irgendetwas zu sagen.

    Ich erwachte, als das Licht des frühen Morgens über die Baumkronen kletterte und meine Lider berührte, blickte mich aber nicht gleich um. Irgendwann in der Nacht hatte ich mich umgedreht und um Maylien gewickelt, und nun drückte ich das Gesicht sacht an ihren Hinterkopf und versuchte, den Tag noch etwas aufzuschieben. Ich wollte das wohlige Gefühl, eine schlafende Frau in den Armen zu halten,

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