Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
vermeiden. Einfach aus dem Grund, weil Triss, sollte er sich nicht daran erinnern, gewiss besser gestimmt wäre. »Sie hat uns aus Tien rausgebracht, weg von der Elite, ohne dass ich ihr eine große Hilfe gewesen wäre.« »Und jetzt?«, fragte Triss. Ich sah Maylien an und erkannte, dass ich gar nicht wusste, was als Nächstes passieren sollte. »Das fragst du wohl besser sie, schätze ich.«
Maylien runzelte die Stirn. »Zurück zum Exilsitz, damit wir uns frisch machen und unsere Ausstattung erneuern können. Ich fürchte allerdings, wir werden nicht lange dort bleiben können. Ich habe Bontrang gestern Nachmittag mit einer Botschaft für Heyin hingeschickt, um ihm zu sagen, wo wir sind und dass wirkommen würden. Eigentlich dachte ich, er würde dort auf uns warten, statt uns entgegenzukommen. Die Tatsache, dass er hier ist, weckt in mir den Verdacht, dass die Dinge in Marchon nicht zum Besten stehen.«
»Wer ist Heyin eigentlich?«, fragte ich.
»Ein dummer alter Mann, der sich geweigert hat zu sterben, als er es hätte tun sollen«, antwortete Heyin, der gerade wieder den Hügel herabkam.
Neben mir veränderte Triss seine Gestalt, aber ich tätschelte ihn besänftigend und schüttelte den Kopf. »Er weiß, was wir sind, Triss. Kein Grund, dich zu verstecken.«
Triss nickte, rollte sich in meinem Schatten zusammen, schob die Nase unter seinen Schwanz und schlief im Handumdrehen wieder ein. Zwar machte mir das große Sorgen, doch gab es nichts, was ich hätte für ihn tun können. Also legte ich sanft die Hand zwischen seine Flügel und versuchte mich durch den Kontakt meiner Finger zu den unsichtbaren Schuppen, die sich so sonderbar substanzlos anfühlten, selbst zu besänftigen.
Maylien musterte Heyin streng. »Das ist nicht wahr. Heyin war Hauptmann der Garde meiner Mutter, bevor meine Schwester ihm seinen Rang aberkannt und ihn auf die Straße gesetzt hat, weil er den Tod der alten Baronin nicht verhindert hat.«
»Was vielleicht der einzige Punkt ist, in dem deine Schwester und ich einer Meinung sind.« Heyin stellte den Topf auf einen Stein, den Maylien zu diesem Zweck in die glühenden Kohlen gelegt hatte. »Aber eigentlich hätte sie mich auch gleich auspeitschen und enthaupten lassen sollen.« Heyin sprach in beiläufigem Ton, aber in seinen Augen brodelten Zorn und Scham zugleich. »Ich hätte mich nicht gewehrt.«
»Das konnte sie schlecht machen«, sagte Maylien. »Nicht, wenn dein Versagen darin bestanden hat, einen Selbstmord zu unterbinden.«
»Nicht, solange sie nicht zugeben wollte, dass es Mord war,richtig.« Heyin öffnete ein kleines, in Papier gewickeltes Paket, nahm ein Stück Räucherschinken heraus und fing an, es in Scheiben zu schneiden. »Und wenn sie das getan hätte, dann hätte jemand auf die Idee kommen können zu ermitteln, wer es denn wohl war, der die alte Baronin ermordet hat. Und darum hätte ich mich auch nicht gewehrt. Ich habe tatsächlich versagt, als es darum ging, das Leben deiner Mutter zu schützen; könnte ich durch meinen Tod dafür sorgen, dass deine Schwester die gerechte Strafe für diesen Mord erhält, ich würde mich mit Freuden gleich morgen offiziell auf dem Marktplatz von Marchon selbst entleiben.«
»Damit würdest du meiner Schwester lediglich einen großen Gefallen erweisen«, tadelte Maylien.
»Und mit diesem Argument hast du mir die Sache auch schon beim ersten Mal ausgeredet.« Heyin war mit dem Schinken fertig und fing an, den Leib Schwarzbrot in dicke Scheiben zu schneiden, die er Maylien gab, damit sie sie auf einem zweiten Stein ausbreiten konnte, um sie dort zu rösten. »Was ich immer noch nicht verstehe, ist, wie du mich überzeugen konntest, Hauptmann deiner Exilgarde zu werden. Oder warum du dich dazu entschlossen hast, das zu tun, obwohl du jedes Recht gehabt hättest, auf mich zu spucken und mich zum Sterben in die Wildnis zu schicken.« Er legte den Kopf auf die Seite, als er sich der Teezubereitung widmete. »Das könntest du immer noch, weißt du? Du musst nur ein Wort sagen.«
Maylien verdrehte theatralisch die Augen. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich dich brauche, alter Mann? Ohne dich hätte ich den Exilsitz niemals einrichten oder auch nur damit anfangen können, auf sinnvolle Weise gegen meine Schwester Stellung zu beziehen. Ich war eine Fremde für meine eigenen Leute, viel mehr Vagabundin als Erbin der Baronie; du warst einer von ihnen und hast ihren Respekt genossen. Hättest du dich nicht für mich verbürgt,
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