Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
Anderenfalls könnten Leute wie die diversen Barone von Marchon beschließen, ihre Ländereien nicht mehr für die Kapitelhäuser der Vagabunden zur Verfügung zu stellen.«
Plötzlich fiel mir etwas auf. »Du sprichst über die Vagabunden, als würdest du nicht dazugehören, aber die Spezies deines Vertrauten sagt das Gegenteil. Ich weiß, dass du und deine Schwester für sechs Jahre von der Landschaft der offiziellen Geschichte verschwunden seid, aber ich weiß nicht, was weiter passiert ist oder wie du zum Vagabundenorden gekommen bist.«
»Das bin ich nicht. Nicht so ganz, obwohl ich es mir einmal verzweifelt gewünscht habe. Meine Mutter hat Sumey und mich im Marchon-Kapitelhaus den Vagabunden übergeben, als wir dreizehn und vierzehn waren, um uns vor unserem Vater zu schützen. Die haben uns in einer ihrer reisenden Gruppen untergebracht, die damals zufällig für einige Wochen in dem Kapitelhaus war, und die ist mit uns aus dem Königreich verschwunden.
Zwischen vierzehn und zwanzig habe ich mehr Nächte unter den Sternen zugebracht als unter einem festen Dach. Ich bin durch die meisten Königreiche im Osten gewandert oder geritten, von den Sümpfen im Norden des Sylvani-Reichs im Süden bis nach Kadesh im Norden, vom Ostmeer bis zur Magierwüstenei im Westen. Ich glaube, das waren die schönsten Jahre in meinem ganzen Leben ... und die schlimmsten in Sumeys.«
»Wie das?«
»Sumey hat jede Sekunde auf der Straße gehasst. Sie hat dauernd gejammert. Nach ein paar Monaten haben die Vagabunden sie in einem Kapitelhaus in Aven gelassen. Aber ich habe mich in das Wanderleben verliebt, also bin ich bei meiner reisenden Truppe geblieben. Ich habe gelernt zu jagen, zu reiten und zu kämpfen wie ein Angehöriger des Zhani-Kriegeradels. Und in einen Vagabunden habe ich mich auch noch verliebt, Serak. Undich habe Bontrang als Vertrauten genommen, als sich herausgestellt hat, dass ich über beide Gaben verfügte. Schließlich bin ich sogar so weit gegangen, darum zu bitten, den Vagabundeneid ablegen zu dürfen.«
»Und was ist dann passiert?«
»Wie kommst du darauf, dass etwas passiert wäre?«
»Weil du hier bei mir bist und um den Titel der Baronin kämpfst, statt mit den Vagabunden auf der Straße zu sein vielleicht?«
Maylien starrte ins Feuer. »Wir waren in Kvanas. Ein untergeordneter Khan hat an mir Gefallen gefunden, mir einen Schlag auf den Kopf versetzt und mich weggetragen. Das war wirklich keine kluge Entscheidung von ihm. Ich bin eine respektable Magierin und eine noch bessere Schwertkämpferin. Als ich wieder zu mir kam, tötete ich ihn und floh, aber da waren bereits andere Vagabunden gekommen, um nach mir zu suchen. Es kam zu einem großen Kampf, bei dem Serak zusammen mit etwa der Hälfte unserer Truppe ums Leben gekommen ist.«
Sie stand auf, entfernte sich vom Feuer und kehrte mir den Rücken zu. »Wir haben uns wegen einer Wiedergutmachung an den Großen Khan gewandt, aber der Khan, den ich getötet hatte, war ein Neffe von ihm. Er hat gedroht, uns alle in die Sklaverei im Sylvani-Reich zu verkaufen, wenn wir nicht auf der Stelle aus seinem Land verschwinden würden. Also sind wir gegangen. Wir hatten keine andere Wahl. Einige Wochen später hätte ich meinen Vagabundeneid ablegen sollen, aber ich war am Boden zerstört und wütend und fürchterlich verbittert. Die Ältesten aus unserer Truppe sagten mir, ich müsse warten, denn ein Eid dürfe nie im Zorn abgelegt werden.
Während ich wartete, habe ich darüber nachgedacht, was einen guten Herrscher ausmacht und was einen schlechten, und über die Tatsache, dass ich die Erbin von Marchon bin, nachdem der König gestorben war, ohne Nachkommen zu hinterlassen.Ich war zwar seit Jahren nicht mehr auf dem Land der Baronie gewesen, aber das Kapitelhaus hatte dafür gesorgt, dass mich die Neuigkeiten erreichten. Und dann habe ich überlegt, wie ich mich fühlen würde, wenn nach dem Tod meiner Mutter jemand anderes diesen Platz einnähme und etwas ähnlich Entsetzliches täte wie das, was mir und Serak zugestoßen war. Dafür wäre ich verantwortlich gewesen. Also habe ich die Vagabunden verlassen und meine Schwester geholt, und wir sind nach Tien zurückgekehrt, damit ich meinen Platz einnehmen konnte ...«
»Und dann ist alles schiefgegangen«, sagte ich. Da ich einiges darüber gelesen hatte, konnte ich mir vorstellen, was passiert war, aber ich wollte es von Maylien hören.
Maylien nickte. »Und dann ist alles schiefgegangen. Thauvik hat
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