Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
versuchen würden, mich umzubringen, bekämen sie die Chance dazu. Sie hatte mich bereits schwören lassen, dass ich mich in das Duell nicht einmische, soweit es ehrenvoll verlief. Aber nun dachte sie sich, es wäre besser für mich, mich vollständig aus dem Spiel zu nehmen.
Ich jedoch hatte darauf beharrt, dass wir bei unserem ursprünglichen Plan bleiben, in dem ich für den Fall eines Verratsdie Rückendeckung bildete. Ich weigerte mich, mich umstimmen zu lassen.
Nachdem ich den dekorativen Forellenbach des Nachbarn dazu benutzt hatte, meine Schattenspur zu verwischen, kehrten Triss und ich zu dem Anwesen zurück und kletterten erneut über die Mauer, dieses Mal mit Hilfe eines Seils und eines lederumwickelten Enterhakens.
Danach machten wir uns auf den langsamen und mühevollen Weg zum Haus, indem wir von einem Baum zum anderen huschten, bemüht, so wenig Zeit wie möglich am Boden zu verbringen. Da es auf dem ganzen Anwesen von Sumeys Gardisten nur so wimmelte, kostete es Triss und mich beinahe zwei Stunden und drei Kehrtwenden, bis wir in Segelsprungdistanz das Haus erreichten.
Das Frühjahr neigte sich dem Ende zu, aber viele der Bäume standen noch in voller Blüte. Der Duft von Myrte und blühenden Birnbäumen war ganz besonders liebreizend und roch gleich doppelt so süß in Anbetracht der durchaus realistischen Möglichkeit, dass ich ihn nun zum letzten Mal riechen durfte.
Schließlich landete ich dreißig Fuß hoch auf einem großartigen alten Kuchenbaum und thronte dort auf einem Ast, dessen Umfang ein bisschen größer war als der meines Oberschenkels. Das Laub raschelte leise in der leichten, morgendlichen Brise, ein beruhigendes, aber gefährliches Geräusch, da es die Laute der patrouillierenden Garde am Boden überdeckte.
Nachdem ich eine halbe Stunde auf eine passende Lücke gewartet hatte, ahnte ich, dass der richtige Zeitpunkt für einen sauberen Sprung nie kommen würde.
Somit blieben mir zwei Möglichkeiten: Ich konnte trotzdem springen. Solange es regnete, waren keine Sterne zu sehen, die ich ausblenden könnte, und ich war ganz in Grau und Schwarz gekleidet – nicht leicht auszumachen vor dem Hintergrund, der sich aus Triss und dem dunklen Himmel zusammensetzte. Oderweiter vollständig umhüllt bleiben und auf den Boden zurückkehren, um zu Fuß zwischen den Patrouillen hindurchzuschlüpfen, was aber eine Spur für Devin legen würde. Wie ich mich auch entschied, ich musste los. Die Dämmerung zog rasch herauf. Ohne die dichten Wolken wäre es am Himmel bereits heller geworden.
Dann sprang ich.
Ich landete auf dem schmalen Sims eines Fensters im ersten Obergeschoss und blieb dort einige Sekunden hocken, während ich mich umblickte, um herauszufinden, ob irgendjemand mich bemerkt hatte. Sollte dem so sein, so gaben sich die Soldaten mächtig lässig. Also machte ich mich auf der schwierigsten Route auf dieser Seite des Hauses an den Aufstieg. Ich war ziemlich sicher, dass Devin zu dieser schon recht späten Stunde längst in Position für das Duell sein würde, dennoch wollte ich für alle Fälle meine Schattenspur so gut wie möglich verwischen.
Oben angekommen, platzierte ich mich auf einem schmalen Streifen der bleiernen Dachdeckung zwischen den unzähligen Schornsteinen des Gebäudes und der Mauer, die ich gerade erklommen hatte. Ich wollte Devin noch etwas mehr Zeit geben, seinen Platz einzunehmen, sollte er das doch noch nicht getan haben. Das Duell war für die erste Stunde nach Tagesanbruch im Garten des Empfangsbereichs auf der Vorderseite zwischen den beiden nach vorn strebenden Flügeln anberaumt worden. Den Garten kannte ich noch gut von meinen längst vergangenen Versuchen, dort einen König zu erwischen.
Devin stand heute vor einem Problem, das dem, das ich seinerzeit hatte, recht ähnlich war. Sollte er Sumeys Fähigkeiten am Schwert als Verstärkung dienen wollen, brauchte er ein Versteck. Irgendwo, wo er nicht nur das Duell beobachten, sondern auch eingreifen konnte, sollte es einen unerwünschten Verlauf nehmen. Dabei unterlag er vier wichtigen Beschränkungen. Erstens musste er sich vor den Augen der Elitezeugen verbergen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sumey mit Deem einen Handel hatte schließen können, der die Nichtbeachtung der Gegenwart einer ehemaligen Klinge umfasst hätte – dafür wurzelte die Feindschaft zwischen Klingen und Elite viel zu tief.
Was uns zu Devins zweitem Problem führt. Er durfte sich nicht erwischen lassen. Es gab nur eine
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