Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
ich es mir gerade erst bequem gemacht hatte, eine kleine Kutsche vor dem gemauerten Torbogen am Ende des Gartens vor. Gezogen wurde sie von einem steinernen Hund. Als ich gerade den Schattenvorhang über meinen Augen lüftete, um besser sehen zu können, wurde die Tür der Kutsche geöffnet, und Oberst Deem kletterte aus der Kabine.
Ihm folgte im nächsten Moment ein weiteres vertrautes Gesicht, das eines steifen Hauptmanns Fei von der Wache. Aus der Entfernung war es zwar schwer zu sagen, aber die Kombination aus ihrer Körperhaltung und ihrem Auftreten deutete an, dass Fei über irgendetwas ausgesprochen unglücklich war. Als Deem auf dem Weg zum Haus mit dem gewohnten Humpeln den Steinhund passierte, wedelte er mit einer Hand und aktivierte so einen kleinen Bann, der die Kreatur von ihren Zugriemenbefreite, damit sie sich zu ihm gesellen konnte. Zu keinem Zeitpunkt blickten er oder sein Vertrauter sich zu Fei um.
Ein Geräusch am Haupttor lenkte mich in diesem Moment von Deem ab. Sumey kam die vorderen Stufen herab, gefolgt von einer regelrechten Invasion von Dienern und Gardisten. Sie trug sowohl das Baronskrönchen als auch ihre Amtskette. Während sie ihren Weg zu Deem fortsetzte, scherten die meisten Leute aus ihrem Gefolge am Fuß der Treppe aus. Einige fingen an, Tische und Stühle aufzustellen und all das andere Beiwerk für einen formellen Empfang, während andere sich aufmachten, einen Duellring mit Seilen abzustecken.
»Oberst Deem«, rief die Baronin, als sie sich einander näherten. »Wie schön, Euch zu sehen.« Sie bot ihm die Hand dar, auf dass er sie unter seinen Ellbogen klemmte. »Kommt, setzt Euch zu mir, während ich darauf warte, dass diese Charade vorüber ist.«
Dann nickte sie Fei desinteressiert zu und drehte sich wieder zum Haus um. Darüber hinaus würdigte sie die andere Frau keines Blickes. Offenbar war sie über die zweite Zeugin der Krone ebenso wenig erfreut wie Deem. Nicht beglückt, aber auch nicht überrascht. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte, war mir aber bewusst, dass ich keine Möglichkeit hatte, es herauszufinden. Also schob ich den Gedanken für eine spätere Betrachtung beiseite. Fei sah ebenfalls nicht gerade erfreut aus, wie sie hinter der sich zurückziehenden Baronin die Nase rümpfte.
Bald darauf saßen Sumey und Oberst Deem nebeneinander inmitten des Mobiliars. Der Steinhund des Obersts lag zu ihren Füßen. Fei wurde kaltgestellt und zu einem etwas kleineren, aber doch behaglichen Tisch an der Seite abgeschoben. Dienstboten hasteten ins Haus hinein und aus ihm heraus, brachten Tee und Kuchen und andere Leckereien. Die Minuten zogen dahin, und ich fing allmählich an, mir Sorgen um Maylien zu machen.
Dann, plötzlich, sprang die Baronin auf, zeigte auf eine jungeMaid in einem schlecht sitzenden roten Kleid und rief laut und in herrischem Ton: »Du da, Mädchen, was hast du da?« Das Mädchen hielt ein langes, schmales Bündel aus Stoff unter einem Arm, das es nun mit beiden Händen in die Luft hob.
»Deinen Tod, Sumey«, erklärte sie in einem eindringlichen Ton, und in ihrer Stimme erkannte ich die von Maylien.
»Was!«, gellte Sumey. »Halt. Wachen, haltet sie auf!«
Aber Maylien war ihr längst zu nahe, als dass es irgendjemand gewagt hätte, sich in die Forderung einzumischen, und so taten die Gardisten nach einem langen Seitenblick auf Deem und Fei gar nichts.
Als sie das sah, wandte sich die Baronin mit einem spöttischen Blick an ihre Schwester: »Du kommst zu mir, um mich in den Kleidern einer Magd herauszufordern? Wie demütigend das für dich sein muss.« Wie schon die ganze Zeit sprach sie auch jetzt mit hoher, klarer Stimme, ganz die Adlige, die es gewohnt war, für ihren Hofstaat aufzuspielen.
Maylien sagte nichts. Sie griff nur in ihr Bündel und zog ihr Schwert. Dann führte sie die Spitze in die Vorderseite ihres Leibchens und schlitzte das Kleid mit einer überraschend eleganten Bewegung auf der ganzen Vorderseite auf. Es fiel herunter, und zum Vorschein kam ein locker sitzender Hosenrock und ein Hemd, alles aus kostbarer, jadegrüner Seide. Aus Gründen, die für mich nicht offensichtlich waren, drückte die Baronin verärgert den Rücken durch.
Maylien schüttelte den Rest des Kleids ab. »Ich komme, um dich in der Kleidung der Frau herauszufordern, die du ermordet hast. Unsere Mutter, Juli Dan Marchon, letztes rechtmäßiges Oberhaupt zu Marchon. Ich bin Maylien Dan Marchon Tal Pridu, und ich fordere mein Recht gemäß dem
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