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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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präsent zu sein wie sonst, und das bereitete mir Sorgen. Große Sorgen.
    »Sheuth, ja? Was bewirkt sie?«, fragte ich.
    Der Mann lächelte und zeigte mir die ungleichmäßigen Zähne. »Kannst du dir das nicht denken?« Ehe ich antworten konnte, fuhr er schon fort: »Sie hat noch einen anderen Namen: Lichtpranger. In Verbindung mit diesem Stein hier ...« Der Schlangenkopf erhob sich, um auf die blendend helle Magierlampe vor meinem Gesicht zu deuten. »... ist der Sheuth ein Schattenbann. Das Licht bewirkt, dass dein Schoßmonster agiert wie ein echter Schatten, substanzlos, leblos, und das Gerüst, an dem du hängst, legt ihm noch engere Fesseln an als dir.«
    Ich geriet nicht gleich in Panik, spürte aber die ersten Stiche echter Furcht. Rasch führte ich mit den Händen ein halbes Dutzend Gesten aus, die ich Triss gegenüber anwandte, wenn wir nicht laut reden konnten. Aber die Vorrichtung war von einem Gott speziell dafür entworfen worden, Klingen und Finsterlinge festzuhalten, und Triss reagierte nicht. Ich konnte nicht die kleinste Druckveränderung an meinem Rücken wahrnehmen.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße. Scheiße.
    Wie gern hätte ich mich jetzt losgerissen und diese Mistkerle, die sich mit meinem Vertrauten angelegt hatten, getötet, doch ich konnte nicht einmal die Arme bewegen, obwohl ich mich so sehr gegen die Riemen stemmte, dass sich bald jeder Muskel in meiner Brust und meinen Schultern wund und zerfasert anfühlte. Der Magier schaute nur zu und lächelte dabei, und es gab nichts, was ich ihm hätte antun können. Gar nichts. Diese Erkenntnis sorgte schließlich dafür, dass ich aufhörte, wie ein Tier zu kämpfen, und wieder anfing zu denken wie eine Klinge. Und das fing damit an, dass ich mir meine Lage ungeschminkt vor Augen führte, sowohl in Hinblick darauf, welche Möglichkeiten ich nun hatte, als auch in Bezug auf die Frage, wie ich überhaupt da hineingeraten war.
    Da sie mich nicht einfach umgebracht hatten, musste ich auf eine spätere Chance hoffen, etwas zu tun. Sollte ich dann jedoch erschöpft sein, würde ich es vermasseln, und das wäre es dann gewesen. Ich würde sterben, Triss würde mit mir sterben, und ich könnte keinem anderen die Schuld daran geben als dem jämmerlichen Säufer, der die Haut des Königsmörders geerbt hatte. Aber so weit würde ich es nicht kommen lassen.
    Ich machte mir nicht allzu große Sorgen um mich. Hätte ich die Chance bekommen, ich wäre meiner Göttin ins Grab gefolgt, als der Tempel gefallen war. Aber diese Option stand mir nicht offen, weil Triss’ Leben an das meine geknüpft war und ich ihn mehr liebte, als ich mich verabscheute. Wenn aber Triss leben sollte, dann musste auch ich leben. Das bedeutete, ich musste schlau sein, musste vielleicht wieder der Königsmörder werden. Wenn auch nur für eine kurze Weile – ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich es über einen längeren Zeitraum aushalten würde. Ich holte tief Luft und schaute meinem Geiselnehmer in die Augen.
    »Tut sie ihm weh? Deine Glyphe, meine ich.«
    »Ob sie dem Finsterling wehtut?« Er lachte.
    Toter Mann.
    »Das hoffe ich doch sehr«, entgegnete er.
    Wieder fragte ich mich, wie Devin sich mit dieser Sorte menschlichen Abschaums hatte einlassen können. Oder, da wir gerade dabei sind, mit der Baronin. Was war in den Jahren seit dem Sturz des Tempels mit ihm geschehen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Devin, mit dem ich aufgewachsen war, so etwas tun würde.
    Während ich überlegte, was ich als Nächstes sagen sollte, ging das Würfelspiel zu Ende, und zwei der anderen Männer kamen herbei, um an der Konferenz teilzunehmen. Ein großer, knochiger Bursche mit einer tiefen Narbe auf der Stirn und ein kleinerer Kerl, der mich an ein Wiesel erinnerte. Der vierte verweilte an der Tür.
    »Achte bloß darauf, dass du das Licht nicht verdeckst«, mahnte der Magier.
    »Keine Sorge, Lok«, antwortete die Narbe.
    »Soweit es mich betrifft, gibt es keinen Grund zur Vorsicht«, verkündete ich. »Das normale Licht ist für alles mit Ausnahme von Lesen mehr als ausreichend, und ich habe mein Buch in der Taverne zurückgelassen.«
    Lass sie nie deinen Schweiß sehen . Die Lektionen waren alle noch da. Wenn ich nun nur noch zurückkehren könnte zu dem Ort in mir, an dem ich mit ihnen gelebt hatte, ohne erst an sie denken zu müssen, dann wäre ich vielleicht imstande, mich wirklich wieder als Schwertführer zu bezeichnen.
    Die Schlange zischte wieder, und der Magier sagte:

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