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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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zurückzulassen. Ich glaubte nicht, dass ich irgendeine Rauchgestanksquelle übersehen hatte, aber Vorsicht ist stets die beste Strategie, wenn man es mit einem Bibliothekar zu tun hatte, der höchst empfindlich auf alles reagieren musste, was seine Bücher in Gefahr bringen könnte. Umso mehr, wenn es sich um einen durchaus namhaften Zauberer handelte.
    Sich mit dem Leibwächter eines toten Königs herumzuschlagen ist weit weniger nervenaufreibend, als einem Bibliothekar unter die Augen zu treten, der glaubt, man hätte gerade eine seiner Preziosen durch ein Feuer gezogen, auch dann, wenn essich um ein Feuer wie das in den Alten Stallungen handelte. Ehe ich also hinaus in die Haupthalle der Bibliothek schlüpfte, schnüffelte ich noch einmal an dem Leder, das ich um das Buch gewickelt hatte. Sauber oder wenigstens sauber genug. Teilweise abgeschottete Magierlampen an den Enden der Regale verbreiteten einen schwachen, gelblichen Lichtschein, doch musste man lediglich die Blenden weiter öffnen, um mehr Helligkeit in den Raum zu lassen.
    Einmal hatte ich Harad, den leitenden Bibliothekar, ausgefragt, warum es keine Fenster in der Halle gab. Er hatte mir erklärt, dass es für die Bücher nicht gut sei, sie direktem Sonnenschein auszusetzen, und dass intensives Magierlicht noch schlimmer sei. Was auch der Grund war. Mir gefiel die Art, wie die Schatten sich in der Bibliothek sammelten, und Triss gefiel sie noch mehr – das erhöhte seine Bewegungsfreiheit ungemein. Das und der Friede und der Geruch der Bücher erinnerte mich an die kontemplativeren Teile von Namaras großem Tempel. Es war nicht ganz so, als würde ich heimkehren, aber es kam der Sache so nahe, wie ich ihr nur kommen konnte.
    Eher aus Gewohnheit als aus Besorgnis kontrollierte ich jeden der drei anderen Leseräume in den Ecken des ausgedehnten, viereckigen Grundrisses. Die offiziellen Öffnungszeiten der Bibliothek waren längst vorbei, aber die Sammlung war Eigentum einer Gemeinschaft von Privatpersonen, die auch den Club nebenan frequentierten, und Handelsleute hatten bisweilen ein eigenwilliges Zeitverständnis. Das war ein Grund dafür, dass die Ismere-Bibliothek über ein hauseigenes Gemach für den leitenden Bibliothekar verfügte, der bemüht war, dieser Gepflogenheit Genüge zu tun.
    Der andere Grund war, dass er auf diese Weise die Sicherheit eines ganzen Haufens wertvoller Besitztümer gewährleisten konnte. Dank magischer Techniken aus dem Fundus der nichtmenschlichen Bewohner des Sylvani-Reichs war die Produktionvon Büchern vergleichsweise billig, aber die Materialkosten waren immer noch sehr hoch, vor allem das notwendige, qualitativ hochwertige Papier war teuer. Die Ismere war von einem extrem erfolgreichen Kadeshihändler gegründet worden, der nicht nur das Gebäude bezahlte, sondern auch den Großteil der ursprünglichen Sammlung gestiftet hatte. Über die Jahre hatten die Mitglieder die Sammlung beständig vergrößert – wer neue Werke spendete, dem konnten die happigen Gebühren erlassen werden, die die Bibliothek üblicherweise berechnete.
    Kaum hatte ich mich vergewissert, dass im zweiten Stock keine Gefahr drohte, kletterte ich die Hintertreppe zum ersten Stock hinunter und überprüfte auch diesen. Und dort fand ich Harad, der still an den Bücherreihen vorüberwandelte und sich vergewisserte, dass nun, nachdem sämtliche Besucher das Gebäude verlassen hatten, jeder Band wieder ordnungsgemäß an seinem Platz stand. Selbst in diesem trüben Licht war er aufgrund der vielen komplexen Banne, die ihn umgaben, mit Magierblick leicht auszumachen. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass wir allein waren, baute ich mich ein Stück vor ihm gut sichbar auf und wartete darauf, dass er aufblickte und mich entdeckte. Einige Momente später hob sich sein Blick und traf auf den meinen, und er winkte mir zu.
    »Ihr seid noch spät auf«, sagte ich.
    »Ich bin ein alter Mann und schlafe nicht mehr so gut wie früher, also nehme ich die Gelegenheit wahr, um mich um meine Schützlinge zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie angenehmer ruhen als ich.«
    »In meinen Augen seht Ihr nicht aus wie ein alter Mann.« Und, um der Wahrheit Genüge zu tun, das tat er auch nicht. Harad sah aus wie gerade mal fünfzig, höchstens sechzig Jahre und gut erhalten, und das in einer Gesellschaft, in der magische Heilmethoden den Bessergestellten Gesundheit bis in die Achtziger und Neunziger gewährten.
    »Aber ich bin alt, alt genug, dass die meisten

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