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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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vermeintlichen Helden zu vernichten. Und sich selbst zu belügen ist einer der Fehltritte, die sich am leichtesten einstellen.
    Der Grund, warum ich sage, ich war der Beste, ist also auch, dass es wahr war. Ich war es, für ein Jahr oder zwei, ich bin es nicht mehr, nicht nach dem, was ich geworden bin. Eigentlich jedoch wäre ich es auch dann nicht mehr, wenn ich noch immer der Königsmörder wäre, jedenfalls nicht, wenn Siri, die Mythenmörderin, noch am Leben war. Sie hatte diese Ehre von mir übernommen, als ich noch auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit gewesen war, und sie hatte diesen Titel etwas weniger als eine halbe Dekade behalten, bis der Tempel untergegangen war. Nicht einmal ein Viertel so lange, wie Kelos ihn fünfzig Jahre zuvor in seiner Glanzzeit innehatte.
    Aber damals, da war ich so unfassbar gut. Ich beobachtete, ich wartete, und ich arbeitete mich immer näher an den König heran. Zuerst machte ich mich mit der Arbeitsweise der Garde auf dem Gelände vertraut und tastete mich dabei in jeder Nacht etwas näher an das Schloss heran, schlüpfte vorbei an Hunden und Wachen, an Hausdienern und Höflingen, die für einen heimlichen Fick in den Garten hinausgegangen waren.
    Als ich so mühelos wie ein Schatten in der Nacht kommen und gehen konnte, wagte ich mich noch weiter vor, betrat das Schloss, huschte durch die Gänge und bahnte mir den Weg immer weiter hinein. Von dem Moment an, in dem ich mit der Kundschafterei begonnen hatte, dauerte es eineinhalb Monate, bis ich meinen Zugang zum Großen Turm gefunden hatte, jenem Teil des Schlosses, in dem sich die Privaträume des Königs befanden.
    Die Einzelheiten sind im Grunde nicht wichtig, allenfalls im weitesten Sinne. Ich konnte das Gelände auf einem Dutzend verschiedener Wege betreten, durch einen Abzugskanal, an fünf Stellen über die Mauer, zusammen mit den außerhalb wohnenden Höflingen durch das Haupttor, mit Lieferanten durch den Seiteneingang ...
    Doch von dort an wurde der Pfad schmaler. Nur drei Routen in das Gebäude selbst brachten mich in eine Position, die geeignet war, zum Großen Turm vorzustoßen. Über die Küche und den Schacht des Speiseaufzugs in das private Speisezimmer, verborgen auf den Sparren des Audienzsaals, nachdem der Hofstaat sich zurückgezogen hatte, oder im Gefolge des Schichtwechsels der königlichen Garde, wenn sie von den Baracken herbeikamen, um ihre Positionen rund um den Turm herum einzunehmen.
    Jede dieser Möglichkeiten war mit Problemen behaftet. Die Route über den Audienzsaal war lang und schwer bewacht. Der Speiseaufzug war eine Rattenfalle, nur mit großer Mühe unbemerkt zu erklimmen und leicht zu versiegeln, sollte jemand mich entdecken. Der Garde zu folgen hieß, dass ich etwa zehn Minuten lang dicht hinter den Soldaten und den beiden Angehörigen der Elite, unter deren Befehl sie standen, bleiben musste, genug Zeit für die steinernen Hunde, das zusätzliche Füßepaar zu hören.
    Bedauerlicherweise war aus zeitlichen Erwägungen diese letzte Möglichkeit zugleich die beste. Die Offiziere der Krongarde machten der Elite, die für die innere Sicherheit des Großen Turms verantwortlich war, Meldung, während ihre eigenen Leute in Position gingen. Die abziehenden Soldaten meldeten sich ebenfalls bei der Elite. Das gab ihnen allein Gelegenheit, ihre Beobachtungen zu teilen. Und mir und Triss lieferte es ein winziges Zeitfenster, zu dem es keine äußere Elitepräsenz zum Schutz der Mauer gab, in der sich das Tor zum Vergnügungsgarten befand.
    Das Tor selbst war mir keine Hilfe, aber ein geschickter Kletterer, mit der passenden Ausrüstung, konnte die Mauer bis zu einer kleinen Nische zwischen den Stützpfeilern eines Balkons im vierten Stock hinaufklettern, und er konnte es tun, ehe der Eliteleutnant, der für das Tor zuständig war, seine Konferenz mit seinesgleichen beendet hatte.
    Als wir den Aufstieg zum ersten Mal gemacht hatten, hatte ich zwei kleine Löcher – vom Boden aus unsichtbar – in den Mörtel zwischen Kragsteinen und Mauer gebohrt, sodass ich dort jederzeit Sicherheitshaken befestigen konnte. Natürlich war der Leutnant aufgetaucht, als ich damit fertig war, also hatten Triss und ich auf den nächsten Schichtwechsel warten müssen, um wieder hinunterzuklettern. Aber genau darum ging es bei den Löchern, sie würden es mir ermöglichen, eine Seilschlinge wie eine Hängematte zwischen den Kragsteinen zu spannen. Dort konnten wir sicher liegen, während ich die

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