Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
schweren, stählernen Klinge verbunden, die zwischen zwei Holzschienen hing. Ich erkannte die Konstruktion, abgekupfert von der neuesten Vorrichtung zur Effizienzsteigerung von Enthauptungen aus dem Sylvani-Reich.
Unter der Klinge stand ein kleiner Weidenkäfig, in dessen Innerem etwas Graues, Flaumiges hauste. Aus diesem Winkel konnte ich nicht erkennen, was es war, aber angesichts der Art, wie es unentwegt auf und ab marschierte und vor sich hin grollte, schloss ich, dass es sehr, sehr wütend war.
»Sie bedrohen ihren Vertrauten, um sie unter Kontrolle zu halten«, flüsterte mir Triss ins Ohr, und seine Stimme glühte vor Zorn. »Wir müssen etwas tun!«
»Pst!« Verärgert machte ich eine Geste, als wollte ich ihm das Wort abschneiden, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Er tat es, weil es ganz einfach klug war. Aber die Art und Weise, wie er hinter mir wie eine aufgeregte Schlange von einer Seite zur anderen zuckte, verriet mir alles, was ich wissen musste, um seine fortdauernde Rage einzuschätzen. Mir ging es genauso wie ihm. Es war üblich, einen Vertrauten zu bedrohen, um einen Magier unter Kontrolle zu bringen. Wir beide hatten das in der Vergangenheit mehrfach mitansehen müssen, doch seit unserer eigenen, kürzlich erduldeten Gefangenschaft reagierten wir deutlich empfindlicher. Der Mann mit dem Seil wusste es noch nicht, aber er würde bald der Gerechtigkeit ins Auge sehen dürfen.
Die sauberste Methode, mit dem Problem umzugehen, wäre, ungefähr zwei Räume zurückzugehen und nach einem Weg zu suchen, auf dem wir unbemerkt ein Stockwerk tiefer einsteigen konnten. Dann könnten wir uns ranschleichen und ihn mit einem schattenverschärften Stoß durch die Wand, an die er sich lehnte, festnageln. Ordentlich ausgeführt würde ihn solch ein Stoß schnell genug töten, sodass er keine Gelegenheit bekäme, auch nur daran zu denken, an diesem Seil zu ziehen. Aber die saubere Methode erforderte Zeit, die wir schlicht nicht hatten.
Nicht, wenn Devin jeden Moment zurückkommen konnte. Nicht mit einer kleinen Armee vor der Haustür, die nur darauf wartete, das Gebäude zu stürmen, was ebenfalls jeden Augenblick passieren konnte. Und ganz besonders nicht, solange dieser Mistkerl ein Seil in der Hand hielt, an dem er zu jeder Zeit ziehen konnte. Nein, dieses Mal musste es schnell und schmutzig zur Sache gehen, und ich musste eine Möglichkeit finden, dieses Seil vorübergehend zu fixieren.
Ein magisch geführtes Wurfmesser hätte funktionieren können, aber das konnte ich unmöglich durch dieses Guckloch hindurch schaffen. Oder ein Pfeil, hätte ich nur einen Bogen dabeiund Platz, um ihn zu spannen. Ich hatte ein paar Blasrohrpfeile in der Tasche, aber das zerbrochene Blasrohr lag zusamment mit dem größten Teil meiner Ausrüstung in einem Schornstein auf dem Dach des Ismere-Clubs.
Komm schon, Aral, denk nach. Etwas muss es doch geben. Aber mein Verstand beschrieb stets den gleichen Kreislauf: Messer, Pfeil, Blasrohrpfeil, Messer, Pfeil ... Moment mal, könnte ich ...?
»Triss«, hauchte ich mit einer Stimme, leiser als ein Wispern. »Denkst du, du könntest dich zu einem Blasrohr umformen? Ich muss dieses Seil fixieren.«
Triss erstarrte auf meinem Rücken und bohrte mir sacht die Klauen in die Haut.
Einen Moment später antwortete er ebenso leise: »Vielleicht.« Dann, schon etwas zuversichtlicher: »Ja. Ja, könnte ich.«
Der Rest des Plans fügte sich in meinem Kopf wie aufs Stichwort zusammen. Schnell und schmutzig, gewiss, aber er hatte auch eine realistische Aussicht auf Erfolg. Ich schloss das Guckloch und breitete meine Werkzeuge säuberlich um mich herum auf den Planken aus. Erst meine Schwerter, etwa eine Handspanne hinter dem Guckloch, die Hefte auf das Loch gerichtet. Dann ein langer, stählerner Blasrohrpfeil, einer von sechs in meinem Trickbeutel. Danach veränderte ich vorsichtig meine Position, bis ich mit dem größten Teil meines Körpers über dem Audienzsaal lag. Schließlich erklärte ich Triss, was ich von ihm wollte. Kaum hatte er mir mit einem Nicken seine Zustimmung signalisiert, legten wir los.
Erneut öffnete ich das Guckloch und vergewisserte mich rasch, dass sich nichts verändert hatte. Dann richtete ich mich so weit auf, wie es der beengte Raum gestattete, und klemmte mir den Blasrohrpfeil zwischen die Zähne. Sofort wurde er von einem Rohr aus Nachtschwärze umhüllt, das sich von meinen Lippen aus durch das Loch erstreckte. Ohne hinzusehen – eswar Triss’
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