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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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und einen Moment später lag ein kleiner Drachenschatten neben mir auf dem Blei. Ich erzählte ihm alles mit einer Stimme, die kaum mehr war als der Geist eines Flüsterns.
    »Was denkst du?«, fragte ich ihn schließlich. »Das ist unsere letzte Chance, aufzugeben und sauber davonzukommen.«
    »Ich schulde Maylien genauso viel wie du. Sie hat dich ebenso für mich gerettet, wie sie mich für dich gerettet hat.«
    Ich unterdrückte das Bedürfnis, ihm zu erklären, dass diese beiden Dinge außer Balance waren, jedenfalls solange der derzeitige Aral eine der Waagschalen belegte, da ich befürchtete, er würde solch eine Meinungsäußerung nicht einmal dann schätzen, wenn sie nur im Scherz geäußert würde.
    Stattdessen zog ich ein Messer, legte die Schneide an das Blei des Daches und sagte: »Dann gehen wir rein.«
    Triss nickte und glitt mit dem vertrauten, seidig-kühlen Gefühl an meinem Körper hinauf und meinen Arm hinunter zur Messerklinge. Ich brauchte keine Minute, um drei Seiten eines Quadrats zu öffnen, was mir die Möglichkeit gab, die ausgeschnittene Bleiplatte hochzubiegen und die darunterliegenden Planken freizulegen. Da ich nicht wollte, dass sie polternd auf den Fußboden des Speichers aufprallten, ging ich überaus vorsichtig zu Werke. Ich arbeitete zwischen den Balken und hob die Teile der Planken heraus, sobald ich sie losgeschnitten hatte. Nach ein paar Minuten war ich bereits imstande, den Kopf durch die kleine Öffnung zu stecken und mich rasch umzuschauen.
    Der Speicher variierte in der Höhe von so gut wie nicht vorhanden am Rande bis zu zwölf Fuß im Bereich des nächsten sichtbaren Firstabschnitts. Auch hier herrschte Chaos, gleichsam ein Spiegel der wirren Strukturen des Dachs, auf dem ich mich befand. Die Überbleibsel der Habe von Generationen von Eigentümern lagen hier herum, alle von Staub und den Hinterlassenschaften der weniger offiziellen Hausbewohner bedeckt. Ohne mich weiterzubewegen, konnte ich deutliche Hinweise auf Schleicher, Tauben, Ratten und Tässchen erkennen.
    An dieser Stelle hing das Dach nur ein paar Fuß über dem Fußboden, was es mir gestattete, die Planken einzusammeln und – mit Triss’ Hilfe – die Bleiplatte hinter mir zu schließen. Das alles geschah äußerst leise, wenn auch nicht geräuschlos,doch daran konnte ich nichts ändern. Mir blieb nur, die Planken so weit wie möglich an den Rand des Dachbodens zu schieben und mich zu beeilen. Das sollte mir in Verbindung mit dem Durcheinander auf dem Dachboden und der geschlossenen Bleiplatte helfen, meinen Zutrittspunkt sogar vor den Augen eines entschlossenen Verfolgers zu verbergen. Hoffentlich ausreichend lang.
    »Triss, kannst du dich mal umsehen und herausfinden, welche Möglichkeiten wir haben, nach unten zu kommen?«
    »Natürlich.« Die nahezu vollständige Finsternis auf dem Dachboden gestattete es Triss, sich dünn zu machen und weit über den Bereich, den er normalerweise abdecken würde, auszudehnen, über den Boden zu gleiten und den Raum in sich einzuschließen.
    »Es gibt zwei kleine Falltüren«, sagte er, als er ein paar Sekunden später wieder zurück war. »Außerdem gibt es eine Haupttreppe nach unten, die wahrscheinlich in den Dienstbotenflügel führt, und eine zweite, schmalere Treppe, die wer weiß wohin geht. Wichtiger noch, ich habe ein recht ordentliches Loch gefunden, das in eine der Innenmauern weist. Es wurde durch eine Truhe getarnt, die am Fußboden festgenagelt ist.«
    »Falscher Boden in der Truhe.«
    »Das steht so gut wie fest.«
    »Nett! Den Trick habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«
    Etliche der großen Häuser verfügten über geheime Gänge oder Räume. Einige boten Verstecke für Güter oder Leute. Viele dienten als Fluchtwege oder dafür, in einem anderen Raum eine heimliche Affäre zu unterhalten. Andere waren angelegt worden, um Gäste des Hauses auszuspionieren oder in ihren Betten zu ermorden. Alle kamen einem Assassinen sehr gelegen.
    »Bring mich zu der Truhe.«
    Triss bewegte sich so, dass ich seine Gegenwart in Form eines Händepaares auf meinen Schultern wahrnehmen konnte, und steuerte mich rasch und sicher durch die Finsternis zu der Truhe, ein Riesending aus Eiche und rostigem Eisen mit einigen mächtigen Rissen in den Ecken. Die zweifellos mit großem Bedacht ausgewählte Kombination verlieh ihr den Anschein, viel zu schwer zu sein, um sie zu bewegen, und zu kaputt, um sie zu verkaufen. Unter dem Deckel kam ein Durcheinander

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