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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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und es war ganz und gar nicht zu verachten gewesen.
    Seit dem Umzug verbrachte Liz ihre Zeit hauptsächlich damit, Coco in der Stadt herumzukarren, von der Wildwood zur Ergotherapie, von Verabredungen zum Spielen in die Ballettschule und zum Chinesischunterricht. Was war aus den Streifzügen durch die Galerien geworden, mit denen Richard sie geködert hatte? Hier in New York gondelte Liz mehr in der Gegend herum als jemals in Ithaca. Abholen und hinbringen. Abholen und hinbringen. Es hörte sich an wie der Job eines Drogenhändlers.
    Wie an allen Tagen, an denen es nicht regnete, versammelten sich die nicht berufstätigen Mütter in kleinen Grüppchen an diversen Stellen entlang des Bürgersteigs vor der Wildwood-Grundschule zum Abholen: Die verwöhnten jüdischen Prinzessinnen standen mit den verwöhnten jüdischen Prinzessinnen zusammen, die Haarreif tragenden Preppie-Moms mit den anderen Preppies, während eine einzelne alternativ angehauchte Mutter in Birkenstocks ihr Baby im Tragetuch leise vor sich hin singend in den Schlaf wiegte.
    Dann waren da noch die »Betreuungspersonen«: ein paar Studentinnen, die Kierkegaard oder Sartre lasen und ihrem iPod lauschten; die gepiercten, tätowierten europäischen Au-pair-Mädchen, die mit leerem Blick vor sich hin starrten und von einem Abend in der Disko träumten, und dann das kleine dunkle Bollwerk von Nannies aus der Karibik, die einander mit ihrem gedehnten, sexy Zungenschlag begrüßten, wenn sie sich auf der gegenüberliegenden Treppenseite trafen. Dabei vermischten sich die beiden Gruppen fast nie. Es gab zwei Abholschlangen, als wäre die Stadt geteilt.
    Liz schlug die Augen auf und erblickte ein Häufchen gut aussehender, knackiger Mamis am Fuß der Treppe. Sie selbst war bloß neun Monate lang Teil dieser Szene gewesen, erkannte diesen Schlag von Frauen aber auf den ersten Blick: Die Füße steckten in hochhackigen, metallic glänzenden Sandalen, die mageren Yogahinterteile straff in Designerjeans, das lange, strähnchendurchzogene Haar fiel ihnen in schimmernden Bahnen über den Rücken. Aus Erfahrung wusste sie jedoch eins: Wenn diese Damen sich von ihrer Schwatzrunde abwandten, um ihren Chauffeur oder Innenarchitekten oder Kunstberater per Handy zu instruieren, würde sich zeigen, dass sie eine Gesichtshaut wie Leder hatten. »Genau wie in der Highschool«, schrieb Liz ihrer besten Freundin Stacey in einer E-Mail, »diese Szene beim Abholen. Die blonden Mädchen und alle anderen. Und dann ich.«
    In dem Dreivierteljahr, das ihre Kinder nun auf die Upper und Lower Wildwood gingen, hatte Liz Mütter getroffen, die Literaturagentinnen waren und Bankerinnen, Krebsforscherinnen und ehemalige Mikrobiologinnen. An Ehemaligen hatte sie auch eine ganze Menge getroffen: ehemalige Anwältinnen und ehemalige Investmentbankerinnen und ehemalige PR-Frauen. Und war sie nicht selbst eine ehemalige Kunsthistorikerin? Ihre Ehemänner arbeiteten allesamt zu viel und reisten zu viel – ständig waren sie in Mumbai, um irgendwelche neuen Büros zu eröffnen. Sie verdienten zu viel Geld, als dass ihre Frauen es hätten rechtfertigen können, so lange von den Kindern weg zu sein, wie ihre früheren Karrieren es erforderten. Der Elternbeirat bestand zum größten Teil aus »Ehemaligen«.
    Ein typisches Beispiel war Casey, Julianas Mom, Gastgeberin der heutigen Übernachtungsparty im Plaza Hotel. Casey war Vorsitzende des Elternbeirats. Früher hatte sie die Konzessionen für sämtliche Loews-Lichtspielhäuser im Lande gemanagt. Eine ehemalige Konzessionärin also. Unterdessen jettete ihr Gatte, ein Augenchirurg, ständig um den Erdball, um heroisch irgendeinem korrupten Dritte-Welt-Führer das Augenlicht zu retten.
    Das Plaza Hotel sollte für zwei Jahre geschlossen werden, weil irgendein Bauunternehmer es in Eigentumswohnungen umwandeln wollte. »Es ist die letzte Chance für unsere Mädchen«, hatte Casey, den Mund voller Käsewürfel, Liz bei schlecht temperiertem Wein am Elterntag ins Ohr geflüstert. Bloß drei Mädchen sollten es sein, plus Juliana: drei Mädchen und ihre Mamis. »Also niemandem erzählen!« In puncto Geburtstagspartys gab es auf der Wildwood ein unumstößliches Gesetz: Es war strikt untersagt, nicht die gesamte Klasse einzuladen, egal zu welchem Anlass. Noch besser: sämtliche Parallelklassen mit dazu.
    Juliana war eine süße Kleine, ein stupsnasiger Frechdachs mit zimtbraunen Sommersprossen. Die Mädchen hatten sich schon ein paarmal zum Spielen

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