Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
zusammenfinden!
Immer noch gereizt, zog sie die darkovanischen Kleider aus, die sie bei ihrer Arbeit außerhalb des HQ trug. Es war die übliche Tracht einer Frau aus Thendara: ein langer, weiter Rock aus schwerem, kariertem Tuch, eine hochgeschlossene, langärmlige Jacke, am Hals bestickt, und knöchelhohe Sandalen aus dünnem Leder. Magdas Haar war lang und dunkel, tief im Nacken geknotet und mit der Schmetterlingsspange gehalten, die jede Frau in den Domänen trug. Magdas bestand aus Silber. Eine Edelfrau hätte eine kupferne, eine arme Frau eine aus Holz geschnitzte oder auch nur eine lederne Spange gehabt, aber keine anständige Frau zeigte in der Öffentlichkeit ihren entblößten Nacken.
Bevor sie die darkovanischen Kleider weghängte, rieb sie sie mit einer aromatischen Gewürzmischung ein. In der Altstadt war es ebenso wichtig, richtig zu riechen, wie richtig auszusehen. Sie duschte und zog terranische Kleidung an, eine rote Strumpfhose und eine Jacke mit dem Emblem des Imperiums auf dem Ärmel. Es war ihr kühl darin, und sie dachte, wie sinnlos es doch sei, hier dünne Synthetiks zu tragen und die Gebäude bis zu einer Temperatur aufzuheizen, die leichte Sachen praktisch machte. Das hinderte die Terraner nur daran, sich dem Klima anzupassen.
Genau wie die gelben Erd-normal-Lampen, die überall im HQ brennen. Sie machen es jedermann unmöglich, sich an die rote Sonne zu gewöhnen. Ich weiß, das ist allgemeine Imperiumspolitik, und wenn Raumhafen-Personal innerhalb von ein paar Tagen quer durch die Galaxis versetzt werden kann, ist es natürlich nur vernünftig, überall die gleichen Standardbedingungen zu schaffen.
Aber für uns, die wir wirklich hier leben, ist es schwer…
Sie versuchte, einen Entschluß zu fassen, ob sie sich eine Mahlzeit auf ihr Zimmer schicken lassen oder in die HQ-Cafeteria gehen und in Gesellschaft essen sollte, als der Kommunikator sie rief.
»Lorne hier«, meldete sie sich, nicht in der besten Laune. »Ich habe dienstfrei, wie Sie wissen.«
»Ja, ich weiß – Montray hier. Magda, Sie sind Expertin für darkovanische Sprachen, nicht wahr? Gibt es nicht eine spezielle grammatikalische Form, wenn man mit einem Adligen spricht, und einen weiblichen Modus der Anrede?«
»Sowohl als auch. Möchten Sie eine Unterrichtskapsel oder einen Literaturnachweis?«
»Nein, ich möchte, daß Sie zum Übersetzen herkommen«, sagte der Koordinator. »Sie sind unsere einzige hier wohnende weibliche Fachkraft, und ich habe Todesangst davor, die Dame durch eine unschickliche Redewendung zu beleidigen.«
»Die Dame?« Magdas Neugier war geweckt; Edelfrauen ließen sich selten auf den Straßen Thendaras sehen.
»Eine Dame von den Comyn.«
»Guter Gott«, entfuhr es Magda. Sie hatte nur gele gentlich einen Blick auf ein Mitglied dieser königlichen und hochmütigen Kaste erhascht. Schon die Männer der Comyn zögerten nicht, einen Vertreter des Imperiums zu sich in die Stadt zu zitieren, wenn sie das Bedürfnis verspürten, mit ihm zu sprechen – was nicht häufig vorkam. »Eine der Comyn-Frauen hat Sie rufen lassen?«
»Nichts da! Die Dame ist im Augenblick hier in meinem Büro«, stellte Montray fest, und Magda riß die Augen auf.
»Ich bin in drei Minuten da.« Ihre Pflichten schlossen eine Tätigkeit als Dolmetscherin nicht ein, aber sie konnte verstehen, warum Montray den regulären Stab nicht bemühen wollte.
Das hat es wirklich noch nie gegeben! Eine Frau der Comyn in Montrays Büro…
Magda nahm ihre Schmetterlingsspange ab und steckte sich das lange Haar auf dem Kopf auf. Die Darkovaner wußten bestimmt, daß Terraner in darkovanischer Kleidung in die Altstadt gingen, genau wie die Terraner wußten, daß eine beträchtliche Anzahl der Darkovaner, die mit Bauarbeiten auf dem Raumhafen beschäftigt waren, dafür bezahlt wurden, die darkovanischen Machthaber über die Außenweltler zu informie ren. Offiziell nahm jedoch keine Seite davon Notiz.
Ich muß mich benehmen, als wüßte ich nicht einmal, daß diese Entblößung für eine darkovanische Frau unschicklich ist. Trotzdem fühlte sie sich nackt und unanständig. Sie zog die Nadeln wieder heraus und ließ den Zopf den Rücken hinunterhängen.
Der Lärm war jetzt zum Brummen der Nachtschicht abgesunken. Magdas Füße in den dünnen Schuhen glitten auf den vom Schneematsch schlüpfrigen Gehsteigen aus. Sie war froh, als sie das Vorläufige HQ-Gebäude erreichte, wo der Vorläufige Koordinator Russ Montray im Vorzimmer auf sie wartete.

Weitere Kostenlose Bücher