Die Zerbrochene Kette - 6
heute abend zu ihr gekommen war – nicht etwa, weil er sie unwiderstehlich fand.
Peter war vor allem terranischer Agent, und er kannte die Regeln. Und eine von ihnen, eine sehr wichtige, lautete: Laß dich niemals, niemals – niemals ernsthaft mit einer Eingeborenen des Planeten ein, auf dem du arbeitest. Flüchtige Liebschaften wurden geduldet, wenn nicht gar gebilligt (jeder Raumhafen im Imperium hatte ein Viertel mit roten Lampen), aber alles, was tiefer ging, war verboten.
Und was das zwischen Peter und Jaelle auch sein mochte, es ging tief, und es war ernst. Peter hatte einen letzten verzweifelten Versuch gemacht, sich gegen diese Verwicklung zu schützen, die eine katastrophale Verletzung der Regeln darstellen würde, unter denen sie lebten. Magda war ungefährlich, Magda war von seiner eigenen Art. Und doch… nicht ganz.
Er ist wie ich; in sexueller Beziehung ist er Darkovaner. Auf andere Frauen reagiert er nicht. Und ich komme seinem Ideal nahe genug, daß er sich mit mir zufriedengeben würde. Wie ich es mit ihm getan habe. Eine Weile.
Wenn Magda heute abend mit ihm gegangen wäre, hätte er seinem heftigen und gefährlichen Verlangen nach Jaelle widerstehen können. Nun hatte Magda ihn auf eine Art abgewiesen, die ein Schlag für seinen männlichen Stolz war, und Peter war geradenwegs zu Jaelle gegangen, um Heilung für diese Wunde zu finden.
Magda bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Sie machte sich Sorgen um beide. Peter könnte seine Karriere für Jaelle aufs Spiel setzen. Und Jaelle – was riskierte sie? Sie war kein Mädchen aus den RaumhafenBars, sondern eine Comyn und, wenn Magda es richtig beurteilte, von tiefer Liebe zu Peter erfüllt.
Gereizt versuchte Magda, die ganze Sache aus ihren Gedanken zu verbannen. Es ging sie entschieden nichts an. Jaelle war kein Kind mehr. Sie war nur ein oder zwei Jahre jünger als Magda, und aus ihren Bemerkungen von vorhin war zu schließen, daß sie auch erfahren genug war, um auf sich aufzupassen. Und was die Gefahr für Peters Karriere betraf, so war Jaelle nicht frei zu heiraten.
Aber während Magda dastand und einer Gruppe von Männern mit Fackeln zusah, die einen alten Schwerttanz vorführten, grübelte sie darüber nach, wohin Peter und Jaelle in der Dunkelheit verschwunden sein mochten…
Irgendwie hatte der Abend seinen Zauber verloren. Um Mitternacht sagten Dom Gabriel, Rohana und Lady Alida sowie die meisten anderen älteren Leute gute Nacht und zogen sich zurück, nachdem sie ihre jüngeren Gäste aufgefordert hatten, zu bleiben und sich so lange zu amüsieren, wie sie mochten.
Darrill machte Magda wieder ausfindig und drängte sie, mit ihm in eine der langen Galerien zu kommen, wo sich, wie er sagte, ein paar sehr schöne alte Wandgemälde befänden. Die Art, wie er sie berührte und wie er sprach, ließ keinen Zweifel daran, daß er an den Wandgemälden nicht mehr Interesse hatte als Magda. Sie lehnte unter einem höflichen Vorwand ab, und als er gegangen war, fragte sie sich, warum sie die Herausforderung nicht angenommen hatte. Peter und Jaelle hatten sich vor langer Zeit entfernt und waren nicht zurückgekehrt. Welche Galerie mochten sie wohl erkunden? Jaelles Bemerkungen hatten Magda darüber aufgeklärt, daß eine Amazone in der Mittwinternacht mit einem Mann Küsse tauschen durfte – oder mehr, wenn sie wollte –, ohne deswegen getadelt zu werden.
Jetzt, da ich von Peter frei bin, muß ich früher oder später herausfinden, wie ich auf andere Männer reagiere…
Dann schalt sie sich: Verdammt noch mal, bevor ich mein Leben mit einem anderen Mann kompliziere, möchte ich mehr über mich selbst wissen! Ich möchte wissen, wer ich wirklich bin, und mich nicht ständig durch die Augen irgendeines Mannes betrachten!
Ein fremder Mann forderte sie zum Tanz auf. Sie schützte völlige Erschöpfung vor, verließ die Große Halle und stieg zu dem Zimmer hinauf, das sie mit Jaelle teilte. Jaelle war nicht da. Magda zog ihr schönes Kleid aus, machte sich fürs Bett fertig und legte sich hin. Sie rechnete damit, wach zu liegen und sich Sorgen um Peter und Jaelle zu machen, doch statt dessen fiel sie sofort in tiefen Schlaf.
Stunden später wachte sie auf und sah Jaelle in der Tür stehen, barfuß, das Gesicht gerötet, das kurze Haar verwirrt. Ihre Augen glänzten stark. Sie kam durchs Zimmer und setzte sich auf Magdas Bettrand.
Magda meinte leichthin: »Ich habe dich erst später erwartet.«
Sie nahm Jaelles schweren süßen Atem wahr. Das
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