Die zerbrochene Krone
gehofft, die Wilden hätten sich geirrt, aber wenn das Haus Saighan die aufgehende Sonne hißt, hat Colavaere den Thron inne. Sie wird jeden Tag in der Stadt Geschenke verteilt haben: Geld, Nahrung, Putz. Das ist bei den Krönungsfeierlichkeiten Tradition. Ein Regent ist niemals beliebter als in der Woche nach seiner Thronbesteigung.« Er sah Rand von der Seite an. Die bemühte Offenheit ließ sein Gesicht hohl wirken. »Die Bürgerlichen könnten sich erheben, wenn ihnen Eure Handlungsweise nicht gefällt. Die Straßen könnten von Blut erfüllt werden.«
Haviens grauer Wallach reagierte auf die Ungeduld seines Reiters mit Unruhe. Der Mann schaute ständig zwischen Rand und der Stadt hin und her. Es war nicht seine Stadt. Er hatte schon früher deutlich gemacht, daß es ihn wenig kümmerte, was in deren Straßen vor sich ging, solange sein Regent in Sicherheit war.
Rand betrachtete die Stadt lange Zeit versonnen. Zumindest schien es so. Aber was auch immer er sah -sein Gesicht blieb ausdruckslos. Min musterte ihn besorgt und vielleicht auch ein wenig mitleidig. »Ich werde versuchen, dafür zu sorgen, daß das nicht geschieht«, sagte er schließlich. »Flinn, bleibt mit den Soldaten hier. Min...«
Sie unterbrach ihn heftig. »Nein! Ich gehe dahin, wo du hingehst, Rand al'Thor. Du brauchst mich, und das weißt du.« Letzteres klang mehr nach einer Bitte als nach einem Anspruch, aber wenn eine Frau auf ihre Art die Fäuste in die Hüften stemmte und angespannt dreinsah, bat sie nicht.
»Ich gehe auch mit«, fügte Loial hinzu, der auf seiner langstieligen Streitaxt lehnte. »Du unternimmst immer etwas, wenn ich gerade woanders bin.« Seine Stimme nahm einen klagenden Unterton an. »Das geht nicht, Rand. Es wird für das Buch nicht genügen. Wie kann ich über Dinge schreiben, die ich nicht miterlebt habe?«
Rand sah noch immer Min an, hatte die Hand halbwegs zu ihr ausgestreckt, ließ sie dann aber wieder sinken. Sie hielt seinem Blick gleichmütig stand.
»Das ist ... verrückt.« Dashiva hielt die Zügel starr in der Hand und führte die gedrungene Stute näher an Rands Schwarzen heran. Sein Gesicht zeigte einen widerwilligen Ausdruck. Vielleicht bereitete es sogar Asha'man Unbehagen, Rand nahe zu sein. »Es braucht nur irgendwo ein Mann mit einem ... einem Bogen oder Dolch zu lauern, den Ihr nicht rechtzeitig seht. Schickt einen der Asha'man, das zu tun, was getan werden muß, oder auch mehr, wenn Ihr es für notwendig haltet. Es könnte ein Wegetor zum Palast eröffnet werden, bevor irgend jemand erkennt, was geschehen ist.«
»Und wir müßten bis nach Einbruch der Dunkelheit hier warten«, unterbrach Rand ihn und wendete seinen Hengst, um Dashiva anzusehen, »bis sie diesen Ort ausreichend gut kennen, um eines zu eröffnen. Auf diese Weise gibt es bestimmt Blutvergießen. Man hat uns von den Mauern aus bereits gesehen, es sei denn, sie sind blind. Sie werden früher oder später jemanden schicken, um herauszufinden, wer und wie viele wir sind.« Die restliche Kolonne hielt sich hinter dem Hügel verborgen, und auch die Banner waren dort zurückgeblieben, aber Reiter auf einem Hügelkamm in Begleitung von Töchtern des Speers würden schon genügend Neugier erwecken. »Ich werde dies auf meine Art handhaben.« Seine Stimme wurde vor Verärgerung lauter, und er roch nach kaltem Zorn. »Niemand wird sterben, wenn es zu verhindern ist, Dashiva. Ich habe genügend Tote gesehen. Versteht Ihr mich? Niemand wird sterben!«
»Wie mein Lord Drache befiehlt.« Der Bursche neigte den Kopf, aber er klang ungehalten, und er roch...
Perrin rieb sich die Nase. Der Geruch ... unberechenbar, ein wilder Wechsel von Angst und Haß und Zorn und einem Dutzend weiterer Empfindungen, fast zu schnell aufeinanderfolgend, um sie zu bestimmen. Perrin bezweifelte nicht mehr, daß der Mann wahnsinnig war, welch unschuldiges Gesicht er auch zeigte. Es kümmerte ihn aber nicht mehr wirklich. So nahe...
Er grub Traber die Fersen in die Flanken, hielt auf die Stadt und Faile zu, ohne auf die anderen zu warten, und bemerkte kaum, daß Aram dicht hinter ihm war. Er mußte Aram nicht sehen, um zu wissen, daß er es war. Er konnte nur noch an Faile denken. Wenn er Schwalbe sicher in die Stadt brachte... Er zwang sich, Traber nur in schnellem Schritt laufen zu lassen. Ein galoppierender Reiter zog Blicke und Fragen auf sich, was Verzögerungen bedeutet hätte.
In diesem Tempo holten diejenigen, die mit in die Stadt kamen, Aram und ihn nur
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