Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Wucht in die rundliche Mitte, und dieser krümmte sich vergeblich in seinen Fesseln und stöhnte laut auf. Tränen und Rotz tropften zu Boden.
„Da ist ein Kind gestorben! Und Lüta, von unserer Mannschaft, der Mannschaft der Frijheid , deren Teil du jetzt – wie lange? – fünf Monate warst! Du Bastard! Ich müsste dir für jeden der Dutzenden von Toten einen Schlag verpassen, und für jeden, den du persönlich gekannt hast, zwei, dann wär es ganz schnell aus mit dir!“
Er spuckte Albert ins Gesicht, und der weinte nur fortwährend und bat um Verzeihung. Ich konnte es kaum mehr aushalten. „Bitte, lasst ihn doch“, flüsterte ich. „Er konnte nicht wissen, dass sie Luftschiffe schicken, mit Bomben. Das hat er nicht wissen können.“
„Er wollte dir ans Leben“, sagte Tomke mit einer harten Kante an ihrer Stimme.
„Nein. Wollte er nicht“, beharrte ich. Ich trat an Eiken heran. „Tu ihm nichts mehr. Du hast schon einmal den Falschen geschlagen deswegen.“
„Aber jetzt schlage ich den Richtigen!“
„Schlag den Herzog, wenn wir es jemals dorthin schaffen!“
Er schnaubte. „Das werde ich. Seine eigene Mutter wird ihn bei der Beerdigung nicht wiedererkennen.“ Eiken wandte sich wutentbrannt ab und verließ die Gondel zähneknirschend hinaus in den Steuerstand.
„Werden wir denn nach Æsta gehen?“, fragte Tomke leise und nahm wieder meine Hand. Ein mulmiges Gefühl grub sich durch meine leere Magengrube.
„Ich werde dorthin gehen.“
Sie nickte ernst. „Ich weiß. Aber werden wir dorthin gehen? Die Gräfin ist eine mächtige Verbündete. Und die Gewerkschaftler …“
Albert regte sich wieder, er hob den Kopf. „Vielleicht kann ich meine Schuld begleichen“, sagte er tonlos. Ich nickte ernst.
„Æsta den Tod“, flüsterte Tomke, und ich wiederholte die Worte noch leiser. „Jahrelang vertrieben sie uns von den Küsten, lieferten uns Kämpfe, in denen wir unterlagen. Brachen die Erde auf und färbten den Schnee schwarz. Wir Likedeeler haben Æstas Untergang geschworen.“
„Æsta den Tod“, spie nun auch Albert, und seine Augen begannen, wieder wie die eines Lebenden auszusehen. Ich erinnerte mich daran, dass diese Worte vermutlich auch schon einmal mein Leben, sicher aber mein körperliches Wohlergehen gerettet hatten, und lächelte grimmig.
Luftschiffpiraten
Zeichnung
D ie Fryske Frijheid erreichte Hochgotland im Dunkel der Nacht. Gotland, die Insel in der vom Eis gebeutelten Ostsee, war von der Hanse verheert worden – die Likedeeler hatten ihren Luftstützpunkt dieser Insel zu Ehren benannt, und wo er sich genau befand, konnte ich auch nicht sagen, als wir dort festmachten. Die Luft war für ein Hochgebirge nicht dünn genug, und so tippte ich auf den unzugänglichen Gipfel eines Mittelgebirges.
Wir machten an einem Ankermast fest, und öffneten das Schott. Hochgotland machte von oben einen nicht sehr nächtlichen Eindruck. Die meisten Fenster waren zwar dunkel, doch sowohl ganz am Rand des Hafens als auch im Zentrum strömten noch Lärm und Licht aus Gaststätten – oder vielmehr Spelunken.
Gespannte Erwartung stand in die Gesichter der Likedeeler geschrieben, die nun von einer mürrischen Bodenmannschaft willkommen geheißen wurden. In den letzten Stunden war die Frijheid durch Nebel geirrt, und auch hier umgab uns Nebel wie eine feuchte graue Decke und trübte die wenigen Lichter des Hafens. Weitere verschwommene Gashüllen wirkten wie bedrohliche Giganten der Vorzeit – angekettet an Ankermasten, damit sie nicht über die Stadt herfielen.
Erschöpft trat Tomke aus dem Steuerstand, wo sie zu dritt navigiert hatten, um Hochgotland zu finden.
„Wo sind wir hier?“
„Auf Hochgotland“, lächelte sie müde und wies mit der Hand nach unten.
„Wo liegt Hochgotland?“
„Ich wäre ein Narr, würde ich es dir sagen, und ich weiß es ohnehin nicht auf Deutsch. Jetzt brauche ich ein Bett.“
Wir kletterten von der Landeplattform hinunter, die Verstrebungen aus Holz und Stahl wirkten morsch und rostig, und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Piraten waren einfach nicht so zuverlässig wie beispielsweise die Hanse.
Unten konnte ich dunkle Felsbrocken ausmachen, die zwischen den Häusern und unter den Häusern hervorragten – die Kanten waren vom Wind abgeschliffen, dass sie aussahen wie große graue Mehlsäcke. Ich merkte mir das, für den Fall, dass ich einmal einem Geographen über den Weg laufen würde, dem ich dies beschreiben könnte und der mir dann sagen
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