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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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Tomke Kapitänin des Schiffes? Ich konnte niemanden ausmachen, der höher stand als Tjarko oder Onnen; außer vermutlich ihr.
    Vielleicht hielten sie es wie mit ihrem Redjeven und bestimmten es von Zeit zu Zeit neu. Vielleicht war dieser Posten bei ihnen nicht so wichtig wie beispielsweise bei der Hanse.
    Sie hämmerte unablässig weiter, während sich nichts im Haus regte. „Unverschämter Hund!“, knurrte sie.
    Die Tür eines Nachbarhauses öffnete sich – windschief ließ sie von drinnen ein Feuer erahnen. Eine Frau mit gewaltigem, vom Nachthemd unzulänglich verhülltem Busen trat heraus in den Schnee. „Der Jude ist tot. Cholera.“
    „Cholera?“ Die Likedeeler schraken sichtbar vor dem verschneiten Gebäude zurück.
    „Letzten Herbst. Das Lager ist leergeräumt.“
    „Es hätte uns jemand eine Botschaft schicken können!“
    „Wohin denn? Weiß ich doch nicht, wo sich wer von den Freunden vom Jud rumtreibt!“ Sie schloss die Tür wieder.
    „Naja, ein Dach ist ein Dach. Machen wir’s wie immer. Offiziere ins Haus, die anderen in die Halle.“
    Sofort brandete Gemurmel all jener auf, die sich offenkundig nicht als Offiziere verstanden, doch Tomke gebot ihnen mit einer Handbewegung Einhalt. „Im Haus ist der Kerl gestorben, und vielleicht stecken wir uns da mit der Cholera an, und dann seid ihr die nächsten Offiziere. Macht euch ein Feuer in der Lagerhalle, wie immer.“
    Eiken stieß das unverschlossene Tor auf. Dahinter gähnte ein Lager, dem der Winter hart zugesetzt hatte. Schnee war durch verschiedene Lücken eingedrungen, der Boden war kalt und karg, doch es gab, wie der Schein einer hastig entzündeten Blendlaterne offenbarte, einen Speicherboden, zu dem eine Leiter hinaufführte.
    „Alles leer“, murmelte Friedrick, und seine Stimme – halb Kind, halb Mann – hallte zwischen den Balken wider.
    „Naðan, komm mit“, sagte Tomke und nahm meine Hand. Eiken drehte sich herum und starrte mich an, und ich schüttelte heftig den Kopf. „Ich würde mich nicht als Offizier bezeichnen.“
    „Aber als Gast“, sagte sie leichthin. „Das ist ein Befehl.“

    „Im Ernst“, schnurrte sie später, als sie sich in der Dachkammer des jüdischen Händlers auf einer Decke ausgestreckt hatte. „Willst du lieber mit Eiken und Albert im Lager schlafen? Da ist es kalt und zugig, und du warst gerade erst krank.“
    „Hier gibt es die Cholera“, sagte ich misstrauisch und linste in die Ecken, in denen wertlose Reste der Möblierung verstaubten, als könnte ich die Cholera dort vorfinden.
    Eine Harmonika mit zerrissenem Balg hatte sich dort vor Plünderung verkrochen sowie zerbrochenes Meißner Geschirr.
    Tomke zog eine zweite Decke über sich, die sie wohlweislich in einem Bündel vom Luftschiff mitgenommen hatte. Sie war mit Lammfell gefüttert.
    „Wollen wir’s nicht wieder so halten wie letzte Nacht? Ich bin müde und mir ist kalt.“
    „Nein.“
    „Hast du dir denn eine eigene Decke mitgebracht?“
    „Ich … ich habe natürlich keine Decke dabei. Ich bin wie immer nur mit dem, was ich am Leibe trage, von der Klippe gesprungen.“
    Sie kicherte. „Es klingt, als tätest du das häufiger!“
    „Es kommt mir auch so vor. Mir ist nicht kalt. Dieser Mantel ist von einem sehr guten Schneider aus Aquis und hält vorzüglich warm.“
    Skeptisch zog sie die Augenbraue hoch. „Ich bin nicht von einem Schneider aus Aquis, aber ich bin sicherlich wärmer.“
    Ich seufzte und erflehte innerlich Ynges Beistand, doch sie war stumm, wenngleich ich zu fühlen glaubte, dass sie sich in meiner Tasche immer noch an mich klammerte. Vielleicht schlief sie seit ihrem traumatischen Erlebnis.
    „Versteh doch bitte, Tomke. Ich … ich will nicht mit dir in einem Bett schlafen, meine Frau ist gerade … ich weiß es nicht einmal genau – drei, vielleicht vier Monate tot!“
    Sie setzte sich auf und sah mit einem Mal bleich und ernst aus. „Das weiß ich. Das verstehe ich doch auch. Ich will dir nicht das Leben schwer machen. Ich will dich nur ein bisschen wärmen. Außerdem habe ich eiskalte Füße, und sicherlich nehmen sie Schaden, wenn sie weiterhin so kalt bleiben.“ Nun war wieder ein wenig Schalk in ihre Augen zurückgekehrt. „Geht das nicht? Dass wir wie Freunde sind?“
    „Du bist eine Frau.“
    „Ich weiß. Das haben schon oft Leute zu mir gesagt. Sieh einfach darüber hinweg!“
    Wenn ich darüber hinweggesehen hätte, hätte ich mich sicherlich dennoch nicht zu ihr auf das harte Fußbodenlager

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