Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Dinge!“
„Außergewöhnlicher noch. Sie wissen doch sicherlich, ob bereits Gasbatterien im Umlauf sind. Ob die Pläne kursieren.“
„Gasbatterien? Was soll das sein? Meine Automaten funktionieren mit Uhrwerken.“
„Gasbatterien sind … neuartige Galvanische Zellen. Sie wandeln Wasserstoff oder Methan in elektrische Ladung um, und es sind die besten Batterien, die man sich vorstellen kann. Sie bedeuten eine Revolution!“
„Woher wissen Sie das?“, fragte sie und spitzte die Lippen.
„Vorsicht“, piepste Ynge.
„Weil … ich davon gehört habe.“
„Nun, ich habe noch nichts davon gehört. Gasbatterien!“
„Wenn Sie etwas hören, ich habe im Haus des Juden Quartier bezogen.“
„Bei den Helgoländern!“ Sie lächelte breit. „Du siehst nicht aus wie einer von ihnen.“
„Ich bin ein Gast.“
„Dann sei vorsichtig, sie haben was vor, sagt man. Was Großes. Suchen hier Leute und Schiffe.“
„Ich werde vorsichtig sein. Vielen Dank, Frau …“
„Margaret. Mich nennen alle nur Maschinen-Margaret.“
Ich grinste unbeholfen. „Na dann. Auf Wiedersehen.“
Mit wippendem Schritt kam ich in der Spelunke an, in welcher Tomke bereits seit den Mittagsstunden saß. Sie diskutierte mit mehreren raubeinigen Gesellen, und der Tisch war bereits klebrig von Bier und Schärferem.
„Aluminium“, sagte ich.
„Was meinst du?“
„Ein mechanischer Vogel, der fliegt. Er ist aus Aluminium. Wenn wir die Flügel aus Aluminium bauen und mit sehr leichtem, reißfestem Stoff bespannen – dann können wir sie lenken.“
Sie sah mich an und lachte, während ihre Gesprächspartner ungeduldig und teils sogar wütend mit den Füßen scharrten.
„Schick das Weichei weg!“, forderte einer von ihnen unverblümt. „Weiber und Weicheier, was ist aus den Friesen geworden?“
„Ich muss sehr bitten!“, begann ich, doch Tomke lächelte mir beruhigend zu und hob auffordernd die Augenbrauen.
„Ich geb dir ‘ne Abreibung, wenn du mich nochmal Weib nennst!“, schrie sie den Piraten dann unvermittelt an, und er zuckte zusammen. „Dann vergess ich mich, ich vergess mich dann!“
Ich fügte mich grinsend und gesellte mich zum fetten Onnen an die Theke, an der es ebenfalls vornehmlich nach Bier roch, doch auch nach Schweiß und dem ein oder anderen süßlich-rauchigen Opiumpfeifchen.
„Man sollte nicht denken, dass sie sich vor diesen verdammten Arschlöchern behaupten kann. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber vielleicht haben sie doch noch einen Rest von Ehrgefühl im Leib. Gegenüber einer Dame.“ Er radebrechte in sehr schlechtem Deutsch und sehr schnellem Friesisch, und ich wunderte mich, dass ich ihn verstehen konnte.
„Alle lieben Tomke“, murmelte ich, und er prostete mir zu.
„Ein wahres Wort.“ Gemeinsam blickten wir hinüber, musterten den dunklen Mann mit den öligen, schulterlangen Haaren, den rasierten Stiernacken mit den obszönen Tätowierungen, die sich bis auf die Kopfhaut ringelten, und den kleinen, frettchenartigen Kerl mit dem lichten Struwwelkopf, der Tomke fortwährend auf die Brüste starrte – oder zumindest dorthin, wo sie sein sollten, denn auch in der Kaschemme war es kalt, und Tomke trug die Uniformjacke der Hanse. Sie selbst fluchte und schrie, trank und lachte, stichelte und verbündete sich, schüttelte den Kopf und die dunkelblonden Haare, denen die Petroleumfunzeln trotz des schmierigen Lichts einen goldenen Glanz verliehen. Wir betrachteten beide ihre etwas zu große Nase, den schlauen, nüchternen Blick in ihren Augen, und den leichten Spott, der wie immer auf ihren Lippen lag.
„Du bist echt ein Glückspilz“, grummelte Onnen, und es dauerte einige Momente, bis ich begriff, dass er mich meinte.
„Er hat wohl noch nicht bemerkt, dass dir bislang das Unglück auf Schritt und Tritt folgte. Aber ja, Tomke ist beinahe schon ein Lichtblick“, kommentierte Ynge.
„Tatsächlich?“, fragte ich sie erstaunt, und Onnen, der sie natürlich nicht hatte hören können, nickte bestätigend.
„Na klar. Es gibt wenige, die so sind wie sie. Meine Frau kann gut kochen und hat mir in den kurzen Monaten, in denen ich auf Helgoland bin, schon drei Kinder geboren. Ich mag sie herzlich gern“, seufzte er, obwohl seine Worte nicht so klangen.
„Meine Frau hat an der Hochschule als Mann verkleidet studiert und den Doktortitel in der Physik errungen. Sie hat mir keine Kinder geboren, und sie war eine schreckliche Köchin.“
„Und jetzt?“
„Sie ist tot. Ihre
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