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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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„Mehrmals. Ich habe auch schon gesagt, dass ich dich mag, glaube ich.“
    „Ach ja? Wann?“
    „Auf dem Boot?“
    „Ich glaube nicht, dass ich mich daran erinnern kann. Wir sollten das wiederholen“, forderte sie mich heraus, und der Schalk lachte in ihren Augen. „Ik mai di gearn.“
    „Also gut.“ Ich senkte meine Stimme zu etwas, das kaum mehr hörbar war. „Ich … mag dich auch.“
    „Wenn du die Flügel fertig hast … bevor wir nach Æsta gehen, habe ich mir ein Geschenk für dich überlegt. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es dir gefällt.“
    „Das klingt … es klingt, als würde es mir nicht gefallen“, gab ich nervös zu.
    „Es tut nicht so weh, wie man sagt“, erwiderte sie rätselhaft und zwinkerte mir zu.

    Später am Abend entdeckte ich in der Innentasche meines Mantels einige zusammengefaltete Blätter, die offenbar sehr gelitten hatten – jemand hatte sich jedoch die Mühe gemacht, sie zu glätten und dort zu platzieren, wo ich sie früher oder später finden würde. Es waren meine Skizzen von Naðurn Stak, den Klippen, den Lummen. Ich hatte geglaubt, dass sie längst bei Ekkenekkepen am Meeresgrund angekommen seien. Als mein Mantel gewaschen und geflickt worden war, musste sie eine gute Seele gefunden haben. Vorsichtig entfaltete ich die durch die Strapazen zerbrechlich wirkenden Briefbögen. Sie waren mit mir untergegangen. Sie waren mit mir gerettet worden – Himmel, sie waren sogar mit mir geflogen! Ich schüttelte ungläubig den Kopf – die Bleistiftzeichnungen waren noch deutlich zu erkennen, und durch die Einwirkung der Elemente hatten sie etwas sehr Plastisches. Das Abenteuer, die Angst und der drohende Tod waren fast durch die Skizzen hindurch spürbar. Wie immer stellte sich mir die Frage, ob ich dies in ein fertiges Bild würde retten können, ob nicht diese Skizze das war, wofür man Berühmtheit erlangen sollte. Zugleich fiel mir noch etwas auf: Meine Skizze war das letzte Bild von der Landbrücke, die den Stak mit Helgoland verbunden hatte. Es war eine fragile Momentaufnahme, die niemand jemals würde wiederholen können.
    Æmelie kam herein – nein, es war Tomke, ich schüttelte heftig den Kopf, um mich in die Gegenwart zu bringen. Nun schlief ich mit ihr in einer Kammer, und schon verwechselte ich sie mit meiner Frau? Wütend starrte ich sie an, doch wie immer schien sie es kaum wahrzunehmen.
    „Der Stak“, sagte sie verblüfft. „Es kommt mir vor, als läge es Jahre zurück, dass wir in diesem Boot saßen.“
    Sie kämmte ihr Haar mit einem altertümlich wirkenden Kamm aus Bein, den struppigen Strähnen hatten bereits einige Zähne Tribut gezollt, indem sie abgebrochen waren.
    „Gehst du mit all deinen Zeichnungen so um? Auf meine bist du draufgetreten!“, stichelte sie dann.
    „Ich hatte allen Grund“, sagte ich würdevoll. „Ich wünschte, ich hätte Farben!“
    „Margaret hat Farben. Ich weiß nicht, ob sie deinem Zweck dienen, aber du kannst es versuchen.“
    „Maschinen-Margaret?“
    „Aber ja. Wenn man im Zweifel ist, wer etwas Bestimmtes haben könnte auf Hochgotland, dann hat Margaret es meistens.“
    „Ich habe kein Geld. Und ich will keins von dir!“
    „Ich denke, sie wird auch auf andere Dinge eingehen.“
    Sie musste das Entsetzen in meinem Blick gelesen haben, denn sie fügte lachend an: „Der Gleiter! Wenn du ihr den Gleiter zeigst oder deine Pläne, dann überschüttet sie dich mit Farben!“

    Am nächsten Tag stattete ich den Windrädern einen erneuten Besuch ab. Ich hatte eine kleine Erhebung in der Wildnis des abfallenden Gipfels ausgemacht, von der aus ich die Maschinen betrachten konnte, ohne fürchten zu müssen, von Zwillen tragend e n Geschöpfen attackiert zu werden.
    Ich mochte ihr Rauschen und Summen, das tiefe Dröhnen ihrer Generatoren, die in den metallenen Kugeln hinter den Rotoren verborgen waren. Ich mochte die liebevollen Muster, mit denen man sie versehen hatte, als seien diese Maschinen tatsächlich so etwas wie der gute Geist Hochgotlands. Ja, sie hatten meinen Blick auf das Piratennest inmitten der umliegenden, unzugänglichen Berge verändert – hier mochte es Niedertracht geben, Sünde und gewalttätige Menschen, von denen man sich möglichst fernhielt, in den Spelunken floss der Alkohol in Strömen, ständig wurde geschossen, Messer wurden einander an die Gurgel gehalten, und viele der Freibeuter hatten nichts mit den vermeintlich edlen wilden Friesen gemein. Doch Hochgotland hatte nicht die verzweifelte,

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