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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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fort, betrachtete einen Zigeuner mit dressierten Hunden und eine Jongleurin, die die Luftschiffer mit aufblitzender Haut zwischen ihrer gefütterten, wenn auch eng geschnittenen Kleidung erfreute. Unweit davon stand ein Trupp Huren, die auf wackligen hölzernen Stühlen saßen, plapperten und Tee tranken, während sie auf Freier warteten. Auch sie waren wie die Huren Æstas dick verpackt, gewährten jedoch unter den kecken Schals einen tiefen Blick zwischen ihre hochgeschnürten Brüste. Eine rothaarige Hure hatte gar einen Frauenmund tätowiert, dessen Zunge sich nach ihrer Brustwarze ausstreckte. Ich schauderte und wandte mich ab, war jedoch – Schande über mich! – nahe genug gewesen, um diese Tätowierung erkennen zu können. Sie lächelte wissend und schlug die Beine unter den rauschenden Röcken übereinander. Eine Prügelei setzte sich zwischen mehreren Männern in Gang, die mit den Worten: „Dass du dich noch hierher wagst!“ eingeleitet wurde. Ich hastete schnell in eine andere Richtung. In der unauffälligen Ecke, die ich ansteuerte, stand eine Frau, die mechanische Apparaturen feilbot. Ich blieb stehen, sah zweifelnd zurück, abwägend, ob bald verirrte Musketenkugeln über den Markt pfeifen würden, doch nun hatte sich eine wilde Truppe mit Messern in den Streit eingemischt, hielt Klingen an Hälse, ritzte Arme und Hände und riss die Prügelnden auseinander. Sie wurden allesamt grün und blau geschlagen, und dann fortgeschleift oder mit Tritten vom Marktplatz befördert. Die grobschlächtigen Schlagetods waren in keinster Weise von den anderen Piraten zu unterscheiden, wurden aber nun von allen mit dankbarem Nicken bedacht. Jemand schien hier trotz allem für Ordnung zu sorgen. „Mit Messern!“, dachte ich entsetzt.
    Meine Gedanken mussten mir ins Gesicht geschrieben gestanden haben, denn ich erntete den aufmunternden Blick der Marktfrau, die hinter dem Stand die Hände in die breiten Hüften gestemmt hatte. Neben Chronometern in allen Größen gab es allerhand Tand zu bewundern, der tickte und surrte und sich im Kreis herum bewegte. Sie lächelte mit roten runden Wangen.
    „Na, Sie! Wollen Sie mal sehen?“ Ich trat hinzu – sie hatte Käfige mit mechanischen Vögeln, eingezäunte laufende Hunde und Katzen und mehrere unsinnig scheinende Apparaturen, wovon eine angepriesen wurde mit: „Hören Sie die Stimmen der Vergangenheit! Das Chronophon!“Ich schüttelte ungläubig den Kopf, was sie mit triumphierendem Lächeln zur Kenntnis nahm. Sie war ohnehin mollig und die dicke Kleidung ließ sie noch ausladender wirken, als sie war. Sie nickte geduldig mit dem Kopf.
    „Doch, doch. Sie halten es vielleicht nicht für möglich, aber alles, was sie hier sehen, ist die neuste Technik, teilweise aus London oder Paris. Teilweise von mir selbst!“
    „Haben Sie etwas von Professor …“ Ich suchte nach dem Namen. „Clockworth?“
    „Clockworth-Merenge? Aber ja! Dieser Vogel dort. Er fliegt.“
    „Er fliegt?“
    „Er fliegt, gütiger Herr. Ich kann ihn jetzt hier nicht fliegen lassen, aber für nur einhundert Mark gehört er Ihnen, und Sie können ihn fliegen lassen, wohin Sie wollen.“
    „Sie wollen ihn mir für einhundert Mark verkaufen?“
    „Das ist ein Schnäppchen!“, plapperte sie munter.
    „Ohne mir vorher zu zeigen, dass er tatsächlich fliegt?“
    „Sehen Sie hier? Sehen Sie das, diese Plakette? Feinste Londoner Arbeit! Clockworth-Merenge ist bekannt für das, was er tut!“
    „Das ist er in der Tat“, sagte ich und dachte daran, dass dieser unsägliche Forschergeist der Ursprung der Shellys war. Ich seufzte.
    „Forscht er nicht vor allen Dingen … an organischem Material?“
    „Viel, viel. Doch es heißt, er setzt in der Zukunft nicht länger darauf. Die Zukunft, so sagt er, heißt …“ Verschwörerisch beugte sie sich zu mir herüber, und ihr Atem roch nach Cognac, „… heißt Aluminium!“
    Ich betrachtete die mit Schlüsseln an Seite oder Rücken aufgezogenen Tiere. „Sind sie aus Aluminium?“
    „Nein, nein! Was denken Sie, viel zu teuer! Aber der Vogel – der ist aus Aluminium. Und er ist so leicht, dass er fliegt.“
    „Sehr …“ Ich griff nach ihren behandschuhten Händen und drückte sie. „Sehr interessant!“
    „Also, wollen Sie ihn jetzt?“
    „Sagen Sie, können Sie außergewöhnliche Dinge besorgen?“
    Sie wies mit den Händen, die ich wieder losgelassen hatte, auf den sie umgebenden Tand. „Das hier sind außergewöhnliche

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