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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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legte eine Hand darauf, fühlte den Linien nach und verwischte dabei das Wasser. Ich folgte den metallenen Säulen in die Höhe, wo das Rauschen und Flügelschlagen ertönte. Es waren tatsächlich Flügel, ein innerer Kranz kleiner, vielleicht mit Pergament bespannter Schuppen, die sich eilig drehten, als seien sie ein Schwarm Spatzen, und außen vier immense riesige metallene Schwingen, Schaufeln, die die Luft durchpflügten und dieses Dröhnen und Sirren von sich gaben. Die gewaltige Kraft der Höhenluft, die sie erfassten, konnte meine Hand am breiten Sockel erspüren, der bebte und in einem Rhythmus hin und her schwang, als wolle er sich aus der steinernen Erde reißen. Mit angehaltenem Atem wanderte mein Blick zwischen den immensen Windmaschinen hin und her. Hinter den Flügeln, dort, wo auch die Glühlampe leuchtete, glänzte ein schimmerndes Ei. „Der gute Geist“, flüsterte ich und bezweifelte nicht, dass Æmelie mir hätte erklären können, was hier vor sich ging.
    Ein Stein prallte plötzlich nahe meines Kopfes vom Sockel der großen Maschine ab. Ich fuhr erschrocken herum – ein Mädchen mit einer Zwille stand dort, struppig, schmutzig und allem Anschein nach völlig verwildert. Wütend starrte sie mich an. „Wenn du dich nicht trollst, ruf ich den Alten, und der hat eine Flinte! Glotz die Dinger nicht so an!“, schrie sie mich an, schrill tönte ihre Stimme über dem Wind. Sie legte bereits einen neuen Stein ein, stand keine fünfzehn Meter von mir entfernt.
    Ich hob die Hände. „Erbarmen. Ich gehe schon.“
    „Du bist keiner von uns! Du bist ein Spion! Ich melde dich dem Alten!“ Drohend hob sie die Zwille, zielte auf mich. Ich zog mich taktisch zurück.
    „Ich bin mit den Friesen hier.“
    „Weiß jeder, dass sich auch Verräter zu den Friesen schmuggeln lassen!“ Sie schoss, und ich tat vorsichtshalber einen Schritt zu Seite. Der Stein prallte gegen meine Schulter, wo der Mantelstoff seine Wucht dämpfte.
    „Ich gehe! Ich gehe!“
    „Ich habe dich im Auge, Kerl!“, keifte die kleine Wilde.
    Eilig verfolgte ich unsere nächtlichen Schritte zurück ins Zentrum Hochgotlands, hörte ihre Beschimpfungen aber noch hinter mir. „Ein Geheimnis, dieser gute Geist Hochgotlands. Ts. Als hätten sie hier etwas, was der Rest der Welt nicht hat. Außer verkommene Moral natürlich.“
    „Verkommene Moral hat man auch überall sonst“, flüsterte Ynge, und ich drückte sie tröstend.
    Bereits beim Näherkommen erahnte ich einen florierenden Schwarzmarkt, einen Warenumschlagplatz für Verbotenes, Begehrtes und Seltenes aller Art, doch auch für Holz, Stahl, Baumaterial, Nahrung und Kleidung. Der erste Stand, an dem ich stehenblieb, hatte sehr feine, wenn auch offensichtlich getragene Kleidung im Angebot, und der Händler grinste mich zahnlos an und fuhr auffordernd über die feinen Stoffe. Ein Mann, der sich soeben etwas ausgewählt hatte, schlüpfte in einen mit Lammfell gefütterten Gehrock und betrachtete sich in einem gesprungenen Spiegel. Er war schmutziger als das Kleidungsstück, und leckte sich die zerfurchten Lippen, während er sich von vorne und hinten begutachtete.
    „Sie sehen aus, als frören Sie! Hier, feinste Kleidung, die nur die feinsten Herren tragen!“, rief mich der Händler heran.
    „Ist … ist schon jemand darin gestorben? Ich bin abergläubisch“, sagte ich und betrachtete die Kleidung, an welcher ich tatsächlich manch schadhafte Stelle ausmachen konnte, die zwar geflickt war, aber verdächtig einem Einschussloch ähnelte.
    „Ich bitte Sie!“, grinste der Kerl zahnlos und lieferte keine weitere Erklärung.
    „Ich habe ohnehin kein Geld. Ich reise stets ohne Geld, oder so kommt es mir jedenfalls vor.“
    „Na, denn haste hoffentlich was zu verkaufen, weil Geld regiert die Welt.“
    „Das ist in der Tat so. Ich weiß auch nicht, was ich mir stets dabei denke!“ Frierend wandte ich mich ab. Auf diesem Berg, der sich aufgrund unserer Reisezeit unmöglich in den Alpen befinden konnte, war es dennoch so kalt wie im Polarkreiswinter Æstas.
    Wo war ich bloß? Vielleicht waren wir nach Dænemark geflogen oder gar ins südliche Skandinavien – allerdings mochte es dort zwar kalt sein, aber es gab keine so hohen Berge, oder irrte ich mich? Andererseits konnte ich absolut nicht ausmachen, wie hoch dieser Berg war – denn zu allen Seiten umgab ihn der Nebel, als hätten die Likedeeler ihn heraufbeschworen, um ihren Hafen zu tarnen.
    Ich setzte mein zielloses Schlendern

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