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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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weißt, warum fragst du?“
    „Aus Strom kann Gas werden, und aus Gas – wie in der Gasbatterie – kann Strom werden.“
    „Das trifft sich gut“, grinste Onnen.
    „Natürlich verbraucht die Umwandlung einen Teil der Energie, sonst wäre es ein Perpetuum Mobile. Und es gibt ja leider keins.“ Ich blickte Ynge an und seufzte herausfordernd. „Oder, Ynge?“ Wie viele müßige Gespräche hatte ich mit Æmelie geführt, nicht einsehend, dass eine sich ewig bewegende Konstruktion nicht möglich war, welche ihre eigene Bewegung zugleich wieder in elektrische Energie umsetzte, um sich selbst anzutreiben!
    „Ingken ist doch gar nicht hier“, sagte Onnen, der mich missverstanden hatte. „Hat sich entzündet, die Scheißschusswunde. Wenn sie dran stirbt, dreht Eiken durch und bringt diesen Albert um.“
    „Das … das hoffe ich nicht! Gibt es einen Arzt in diesem Hochgotland?“
    „Ja, natürlich. Der ist auch sicher auf verdammte Schusswunden spezialisiert. Friedrick, das da! Die Stange, bring mir die rüber!“
    Noch am gleichen Tage konnten wir den ersten Flügel mit Tuch bespannen. Er war fünf Meter lang, und geplant war, ihn an drei Stellen raffen zu können wie einen Fächer. Zudem sollte er mit seinem Gegenstück, dem linken Flügel, halbwegs flexibel, aber untrennbar verbunden sein. Probeweise schwang ich ihn in der leeren Lagerhalle. Er wirbelte Staub auf, und Friedrick wich der Flügelspitze kichernd aus. Obwohl er unvergleichbar leicht war, fühlte ich bereits, dass es schwierig sein würde, ihn in der Luft zu kontrollieren – das weit entfernte Ende bewegte sich grob, wenn ich auch nur die kleinste Bewegung tat.
    Ein schwieriges Unterfangen …
    Tomke jedoch war begeistert. Sie kam herein, tat das Gleiche, was ich getan hatte, und schwang den Flügel in der zugigen Halle.
    „Wie ein Vogel! Wir fliegen damit wie ein Vogel!“
    „Das geht nicht“, widersprach ich. „Vögel stellen ihr Schwunggefieder quer, um die Luft von unten durchzulassen, aber Æmelies Konstruktion, die das bewerkstelligen soll, ist zu kompliziert, und nur mit unserer Muskelkraft könnten wir mit diesen Flügeln ohnehin nicht aufsteigen. Schwerer als Luft zu sein und dennoch zu fliegen … ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.“
    „Du bist ein Klugscheißer. Es wird funktionieren!“, lachte sie mich an. „Morgen helfe ich mit – es wird funktionieren, und dann fliegen wir! Ich natürlich zuerst.“ Onnen lachte dröhnend und patschte ihr mit einer fleischigen Hand auf den Rücken. „Purzel nicht von diesem Berg, da geht’s tiefer runter als auf Helgoland!“
    Sie versprach zwinkernd, es nicht zu tun, und wir präsentierten unseren Flügel dem Rest der Mannschaft, die damit wedeln durfte, bis der abendliche Eintopf fertig war.
    Mit einem dampfenden tönernen Krug in der Hand setzte Tomke sich neben mich und strahlte mich glücklich an.
    „Die Verhandlungen laufen zäh. Niemand wagt sich an Æsta heran – sie haben das Glück, dass sie mit der Hanse, dem Kaiserhaus und einer eigenen Streitmacht als Unterstützung dastehen. Noch zumindest, solange sie nicht diese Abspaltungsgedanken wahr machen. Keiner will oder kann ohne Æsta leben.“ Sie seufzte. „Politik! Aber hier … das hier ist einfach wunderbar.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. „Findest du nicht?“
    „Doch.“ Ich sah sie an, ihre Wangen waren immer noch von Kälte oder Freude gerötet, und der Schein der Öllampen warf den Schatten ihrer Nase auf ihr Gesicht wie den Schnabel eines Vogels. Ich lachte darüber, und ehe ich mich besann, hatte ich meinen Finger auf ihre Wange gelegt und strich über den Schatten. Sie sah mich erwartungsvoll an, und ich weiß nicht recht, warum ich es tat, vielleicht, weil sie sich so sehr für die Flügel begeistern konnte. Ich beugte mich vor und küsste sie, und sie ließ es einfach nur geschehen, forderte nicht mehr als das und schürzte nur ihre Lippen, um den Kuss zu erwidern. Einen langen, stillen Augenblick saßen wir so da, dieser wilde Vogel von Frau und ich, der verrückte Mann mit der Puppe, und wir endeten erst, als jemand einen lauten Pfiff in unsere Richtung sandte.
    Eiken jedoch, dem mein erster Blick galt, sah demonstrativ in eine andere Richtung – dennoch hatte sich seine Hand um den Stoff des Mantels gekrampft, der neben ihm lag. Betreten musterte ich meine Schuhspitzen.
    „Danke“, flüsterte Tomke grinsend. „Hab ich schon gesagt, dass ich dich mag?“
    „Ja“, gab ich zu.

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