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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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habe.“
    „Ich habe gehört, Sie machen andere Dinge. Sie konstruieren, sagt man. Sie bauen … eine Flugmaschine.“
    „Leider keine Maschine. Es handelt sich um einen Gleiter, es ist reine Ærodynamik.“
    Sie nickte dennoch anerkennend.
    „Da ich kein Geld habe, um Ihnen Farben abzukaufen, dachte ich, sie wollen vielleicht …“ Das Licht erlosch wieder. Ein Kind quietschte: „Ich jetzt! Ich!“, und erneut ertönte das Ratschen der Hamsterzahnräder.
    „Sie wollen vielleicht einen Blick auf den Gleiter werfen. Vielleicht …“ Ich schluckte. „Vielleichte eine Kopie der Pläne.“
    „Die erhalte ich für die Farben?“ Abwägend kniff sie die Lippen aufeinander und nickte dann. „Das ist eine gute Idee. Welche Farben brauchen Sie?“
    „Schwarz, Weiß, Rot, Gelb, Ultramarin und Bremer Blau, wenn’s geht.“ Das Licht ging wieder an.
    „Hab nur ein Blau. Weiß nicht, welches das ist“, gab sie zurück, erhob sich schnaufend und massierte ihre Kniegelenke, die unter einem karierten, wadenlangen Rock verborgen waren. Auf wollenen Strümpfen schlurfte sie zu einem Schrank und öffnete eine immens wuchtige Schublade, aus der ein unglaublicher Plunder quoll. „Hier sind meine Stechsachen drin. Also, für die Hautbilder. Die Friesen kennen das ja noch gar nicht, mit dieser wunderbaren Magnetspule. Sie machen es mit einer Nadel und einem Faden, an dem Farbstaub klebt. Den ziehen sie unter der Haut durch, und dann bleibt die Farbe zurück. Aber mit Nadel und Faden ist das schon fies, nicht?“
    „Und mit einer Magnetspule nicht?“, fragte ich neugierig, als sie etwas aus der Schublade hob, das wie eine kleine, bronzene Handfeuerwaffe aussah.
    „Die Magnetspule bewegt nur eine Nadel. Hoch, runter, hoch, runter.“ Sie ließ die Pistole wieder in die Schublade sinken und füllte dann Pulver aus Tiegelchen in fünf Briefumschläge.
    „Da, bitteschön. Dann komme ich doch gleich morgen einmal vorbei, nicht wahr? Aber wehe, das Kunstwerk ist dann noch nicht fertig!“ Sie lachte.
    „Da werde ich Sie enttäuschen. Aber vielleicht sind wir mit den Flügeln vorangekommen.“

    Es war ungewohnt, doch nicht unbefriedigend, den lieben langen Tag körperliche Arbeit zu leisten. Tomke hatte den zurückgezogen lebenden Herrn aufgesucht, der für die Wartung der Windräder zuständig war. Offenkundig war sie nicht mit Steinen beschossen worden, sondern hatte von ihm gar einige Bruchstücke Aluminium erhalten, aus welchen sie nun Scharniere zu fertigen versuchte. Zudem konnte sie ein Paar längere Stangen des kostbaren Guts aus der Prise eines erfolgreichen Kaperfahrers gegen größere Mengen Korn eintauschen. Das Metall war jedoch widerspenstiger als angenommen, und so fluchte sie die meiste Zeit und warf ihre Werkzeuge von sich.
    In einer Pause suchte ich mir Holz und Leintuch und bespannte einen Rahmen, um darauf zu malen. Ich betrachtete das Pulver, das Margaret mir gegeben hatte und roch daran, doch noch wollte ich es nicht anrühren, denn ich befürchtete, dass die Farben eintrocknen würden, wenn ich mich dem Bild nicht intensiv widmen konnte. Ich begann jedoch am Abend, bevor alles Licht vom heute blauen Himmel schwand, die Umrisse der Steilküste zu übertragen, dem Flugmanöver der Lumme einen Platz zuzuweisen – und dann kam mir noch ein Gedanke. Ich deutete die horizontale Linie der niedrig hängenden Wolken an, und dann, bedrohlich über Helgoland nahend, die Scheinwerfer schwarzer, halb verborgener Luftschiffe. Ja. Es würde etwas Mitreißendes haben, etwas Unheilvolles – Æsta nahte. Tomke verstrubbelte mir das Haar. „Ich kriege eine Gänsehaut, und das nur von ein paar Bleistiftstrichen“, gab sie zu. „Wie wir da auf See waren … und dann kamen sie aus den Wolken, und wir konnten nichts tun!“ Sie ächzte und ließ ihre Finger in meinen Nacken wandern. „Davon erzählen wir noch unseren Kindern.“
    „Jetzt geht sie aber ziemlich weit!“, schaltete sich Ynge ein.
    „Also, ich meinen und du den deinen“, ruderte Tomke eilig zurück und wechselte das Thema. „Ingken geht es schlecht. Die Muskete hat ein ziemliches Loch gerissen, und die Wunde hat sich entzündet. Der Doktor war bei ihr, aber der hat auch nicht mehr als Jod auf Lager. Wir nennen ihn aber auch nur so, er ist natürlich kein echter Doktor.“
    „Was … was tun wir jetzt? Wollt ihr sie woanders hinbringen?“ Ich hatte kaum Gedanken an Ingken verschwendet, doch mit einem Mal wurde mir klar, dass sie meinetwegen sterben

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