Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
umgehört. Es heißt, ein Erlenhofen hat dran geforscht und ist gestorben.“
„Es war eine Frau, und sie ist ermordet worden.“
„Ich verstehe“, sagte Margaret, und ich erwiderte kühl: „Das bezweifle ich.“ Doch sie zwinkerte mir zu.
„Mein Freund Professor Clockworth-Merenge – er schreibt, ein ehemaliger Schüler habe die Weiterentwicklung der Technologie übernommen“, fuhr sie fort, als würde sie doch verstehen.
„Er ist ein bösartiger Mensch und zum Glück weniger klug als Frau von Erlenhofen.“
„Fräulein von Erlenhofen oder Frau?“
„Frau“, flüsterte ich, als sie auf den Grund meiner Seele stieg, ohne vorher zu fragen.
„Na, komm doch rein und nimm einen Tee!“, winkte sie. „Es zieht von draußen.“
In der Stube war es tatsächlich behaglich warm, doch was diese Wärme erzeugte, konnte ich nicht ausmachen. Als ich jedoch gerade die Tür geschlossen hatte, flackerten die Glühlampen und erloschen nacheinander. Ich gab einen überraschten Laut von mir – doch Margaret lachte bloß. „Wer ist dran?“
„Ich! Ich!“, schrie eines der Kinder, und ich erkannte den Schein einer Petroleumfunzel, in dessen Licht eines der Kinder an einem kleinen Gegenstand hantierte.
„Was … Ist das normal?“
„Aber ja. Setzen Sie sich doch schon mal!“
„Ich kann nichts sehen! Und ich falle sicherlich über etwas.“
„Unterstellen Sie mir etwa, eine unordentliche Person zu sein?“
Keineswegs , lag mir auf der Zunge, aber ich brachte es einfach nicht hervor. Margaret lachte schallend. Aus der Richtung des Kindes vernahm ich nun die Geräusche eines Uhrwerks, das aufgezogen wurde, und bald setzten die Glühlampen ihr flackerndes Leben fort.
Vorsichtig näherte ich mich Margaret und dem Kind, das weitere Uhrwerkgeräusche von sich gab. Ich betrachtete den Bengel, er war vielleicht fünf Jahre alt und keineswegs ein Automat, wie ich beinahe gefürchtet hatte. Er hielt ein Wesen in den Händen, das wie ein metallener Hamster mit einer Flügelschraube auf dem Rücken aussah. Mit angestrengtem Gesichtsausdruck und im Mundwinkel herausgestreckter Zunge drehte er die Schraube und setzte dann den Hamster in ein Laufrad. Der Hamster begann wie seine beiden bereits schuftenden Geschwister einen Lauf, das Rad drehte sich, ein kleiner Generator surrte und eine Glühlampe erwachte erneut zu unstetem Leben. Ich schüttelte den Kopf. „Das ist doch … warum drehen Sie das Rad denn nicht gleich auf, auf diese Weise ist es doch sehr … umständlich, und Energie geht überdies verloren!“
„I wo!“ Margaret machte eine wegwerfende Handbewegung. „Dann würden’s die Kinder doch nicht so gerne aufziehen!“ Sie zuckte mit den Schultern und wies auf einen Platz neben sich. Es knirschte unter dem Kissen, als ich mich setzte, und ich zog einen metallenen Schmetterling hervor.
„Oh. Das tut mir leid.“
„Muss es nicht. Schließlich hat Tutti ihn doch hier hingelegt, nicht, Tutti?“
Das angesprochene Mädchen lächelte mich an und zuckte mit den Schultern. „Ist kaputt?“, fragte sie, und ich reichte ihr den Schmetterling hinüber.
„Kann der auch fliegen?“
„Nee. Nur flügeln“, sagte das Mädchen und zog eine winzige Schraube auf. Träge schlug der Schmetterling auf ihrer Handfläche mit den leicht verbogenen Flügeln.
Margaret reichte mir einen Tee in einer kleinen Porzellantasse, die sie weiß Gott woher gezaubert hatte. Im durchschimmernden Boden der Porzellantasse war eine kleine mandeläugige Chinesin zu sehen, die ebenfalls Tee trank.
„Was wollen Sie denn von Margaret, Herr von Erlenhofen?“, fragte mich die Kuriositätenhändlerin.
„Bei den Friesen hieß es, Sie haben Farbe.“
„Das stimmt. Ich habe Farbpigmente, man kann sie anrühren, am besten mit Öl. Die Piraten kommen zu mir, weil ich gewisse Gerätschaften habe. Und mein Geld verdiene ich mit einem ganz bestimmen Gerät, traurigerweise.“
„Warum? Was meinen Sie?“
„Ich steche Hautbilder. Dafür benötige ich die Farben. Wer gibt schon Geld genug für meine meisterlichen Blechkunstwerke aus, damit ich meine Kinder durchbringen kann? Aber Luftschiffer und Hautbilder, das ist wie Mehl und Eier.“ Sie lachte. „Brauchst du denn Farben oder ein Hautbild?“
„Ich benötige ganz gewiss keines dieser barbarischen … Bilder. Aber was brotlose Kunst angeht, so kann ich Ihnen Ihr Dilemma nachempfinden. Ich brauche die Farben, um ein Bild zu malen, für das ich bereits Skizzen angefertigt
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