Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
gierige Hässlichkeit Æstas. Und somit waren auch diese kunstvollen Maschinen eine liebevolle Schönheit, für die ihr Erbauer inmitten aller Schlichtheit, oft genug sogar Schäbigkeit, gesorgt hatte. Tomke hatte mir erneut Briefpapier geschenkt, und ich fertigte eine Skizze der in den niedrigen Wolken hängenden Luftschiffe und der sich durch die weißen Fetzen pflügenden Windräder. Es war still hier, auf der flechtenbewachsenen Kuppe, und Hochgotland schien weit entfernt.
„Warum sagst du nichts, Ynge?“
Sie schwieg einige Augenblicke, doch ich wusste, dass sie antworten würde, ihre Augen blickten auf diese kluge, unpuppenhafte Weise. „Weil du meine Worte nicht mehr brauchst.“
Ich hatte befürchtet, dass sie so etwas sagen würde, und mir stockte der Atem – ein Kloß saß mit einem Mal in meinem Hals.
„Doch! Doch, ich brauche sie! Hör bloß nicht auf zu sprechen, Ynge!“ Zusätzlich zur tröstlichen Gegenwart der Puppe fürchtete ich stets, Æmelies Stimme zu verlieren, auch wenn – nein, gerade weil etwas in mir wusste, dass es früher oder später passieren würde.
„Ich bin doch verrückt! Der Verrückte, der mit seiner Puppe spricht“, versuchte ich es. „Das kannst du nicht auf einmal ändern!“
„Ich werde es nicht auf einmal ändern“, sagte sie leise.
„Bitte – ist es wegen Tomke? Ich … sie … da ist ja nichts … also gut, ein Kuss vielleicht, aber – du, du solltest mir einmal richtig die Meinung sagen! Dass es so nicht geht, dass ich Æmelies Andenken in den Schmutz ziehe!“ Ynge lachte. „Ich bin gespannt auf die Flügel“, sagte sie schlicht.
An diesem Tag – ich hatte völlig die Orientierung verloren, welches Datum, geschweige denn, welchen Wochentag wir hatten – war kein Markt auf Hochgotland. Es gab dennoch einige Piraten, die ihre Beute tauschten und Geschäfte abwickelten, das übliche Gemenge aus Huren, Grobianen und verschlagenen dünnen Männern, die ihre Messer schnell zur Hand hatten. Maschinen-Margaret fand ich in einem Steinhäuschen, das zum Marktplatz herausging und an dem ein Schild baumelte, das mir mitteilte: „Maschinen-Margarets feinste Automaten. Skurriles, Wundersames und Unglaubliches!“ Vor ihrer Tür standen offene Holzkisten, in denen vor allen Dingen verbogene und teils rußgeschwärzte Metallteile lagen. Ich beugte mich darüber, um zu ermessen, ob ich etwas Nützliches darin finden würde, doch das meiste davon schien unbrauchbar. Mein Anklopfen wurde mit einem „Herein!“ beantwortet.
„Frau Margaret, guten Tag“, grüßte ich eintretend. Der kurze Korridor war dunkel, doch aus dem Wohnzimmer der Frau schien ein Lichtkeil, der von zahlreichen Glühlampen stammte. Ein Surren erfüllte die Luft, als ich eintrat, und mein Blick irrte umher, nicht wissend, woran er sich zuerst heften sollte. Der Raum war auf schillernde Weise überfrachtet mit Mobiliar, Büchern, seltsamen Konstruktionen, Teppichen, Kissen und abgelegten Kleidungsstücken, sowie erstaunlicherweise drei oder vier Kindern unterschiedlicher Altersstufen. Es roch nach Tee und der vergangenen Mittagsmahlzeit und alles war von einer unsteten Helligkeit erfüllt, die von drei Glühlampen stammte, die aus eigenartigen Lampenkonstruktionen herauslugten wie Glupschaugen und mich fragend anzustarren schienen. Die wenigen Stellen an den Wänden, die nicht von Bücherregalen verdeckt wurden, waren von dort angepinnten Zeichnungen bedeckt, die auf mich weniger den Eindruck vernünftiger Konstruktionspausen machten, sondern vielmehr wirr wie eine auf Papier gelangte Idee wirkten. Eines zeigte ein Luftschiff unter Wasser, es stand auf dem Kopf und statt mit Gas waren die Kammern offensichtlich mit Wasser gefüllt. Fische waren von Kinderhand drum herum gemalt worden, und das alles war von blauer Wasserfarbe bedeckt.
„Der junge neugierige Gast der Helgoländer“, sagte die Stimme der rundlichen Händlerin, und erst jetzt entdeckte ich sie hinter einem wuchtigen, mit Kissen überfrachteten Sessel auf dem Boden sitzend. Keines der Möbelstücke schien tatsächlich in Benutzung – das meiste stand herum und war mit eigenartigen Erfindungen bedeckt. Menschen, Essen und Getränke hingegen befanden sich auf dem teppichübersäten Boden.
„Wie hießen Sie denn nochmal?“
„Von Erlenhofen.“
„Na, so nennen die Friesen Sie aber sicher nicht.“
„Naðan“, gab ich zu.
„Das ist besser. Apropos von Erlenhofen – diese Batterie, von der sie sprachen? Ich habe mich
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