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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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sie in einer Senke, deren Felsklötze hoch genug waren, um einige Sprünge ohne potentiell tödlichen Ausgang zu wagen. Der erste Gleiter aus Weidenruten brach beim zweiten Flugversuch. Ein Gleiter aus Aluminium faltete sich an den Scharnieren zusammen, als das Körpergewicht auf ihm lastete, und ließ Tomke unkontrolliert in den zum Glück unberührten und sicherlich einen Meter hohen Schnee stürzen.
    Wir erlaubten von nun an nur noch wenig Spiel bei den Scharnieren. Das Gestänge bildete Flügel, die eine Spannweite von elf Metern ergaben. Es war Wahnsinn. Es war großartig.
    Ich selbst schaffte einen Absprung bei gutem Wind und landete sicherlich zweihundert Meter entfernt, als das Gelände der Senke wieder anstieg. Unsanft, muss ich zugeben, doch ich konnte Ynge von dort, wo ich gestartet war, lachen hören, und ich schwöre, dass sie geklatscht hat.
    Im Juni entdeckten die Hannoveraner Hochgotland und griffen es, da sie selbst im gleichen Moment enttarnt wurden, unvermittelt mit vier Luftschiffen an. Die Alarmglocken schrillten, Bomben und Schüsse krachten herab und hinauf, Luftschiffe vor Anker gingen in Flammen auf.
    Am Hafen wurde einer der metallenen Wasserstoffspeicher von Bomben zerrissen und explodierte, und ich dachte, ich müsse sterben, während ich in der Lagerhalle des Juden bei den Flügeln ausharrte. Einige Huren flohen in die Wildnis und stürzten eine Bergflanke hinab, und eines von Margarets Kindern wurde schwer verletzt, als es von dort, wo es gespielt hatte, nach Hause zurücklief. Tomke ließ die Frijheid bemannen, und ich flehte sie an, am Boden zu bleiben, doch stolz gab sie zurück, dass sie gedenke, in der Luft zu sterben.
    Die Hanseaten wurden von der schieren Menge an kampfeslustigen Freibeutern, die sich ihnen entgegenwarfen, völlig überrumpelt. Unter dem Kanonenfeuer der Frijheid ging das letzte der Hanseschiffe in Flammen auf, bevor es die viel spekulierte Lage des Piratenhafens weitergeben konnte. Wenn die Angreifer überhaupt mit der neuartigen Funktechnologie ausgestattet waren, trugen ihre Morsezeichen offenbar nicht weit genug, denn kein weiterer Angriff erfolgte.

    Es gab Gerüchte aus Æsta. Es gab Nachrichten der Gräfin.
    Man sagte mir, das Haus Pommern habe versucht, in Helgoland zu landen, sei jedoch vertrieben worden. Was mochte Domek von mir wollen? Dachte er, er müsse mich retten? Wollte er die Tatsache, dass ich in seiner Schuld stand, aufrechterhalten? Je mehr ich über ihn nachdachte, desto weniger traute ich ihm, und ja, auch Margaret, deren Kind man ein Bein hatte amputieren müssen, konnte berichten, dass der junge Herr von Pommern mit Professor Clockworth-Merenge in Kontakt stand. Er hatte überall seine Finger im Spiel. Ich glaubte nicht, dass er so besorgt um uns war, wie er stets vorgab .
    Derweil gab es Annäherungen zwischen den Gewerkschaften und den Niederbroichs sowie den friesischen Freibeutern, die sich neben Rache und Waffenhilfe für die Gewerkschaften auch eine fette Prise versprachen. Es gab letztendlich einen Plan.
    Wenn wir nicht flogen oder bauten oder verzweifelt fluchten und schworen, nie wieder zu versuchen, den Vögeln die Lüfte streitig zu machen, malte ich Helgoland und den Stak, und dachte dabei nicht nur einmal an mein unfertiges und bei Madame verstecktes Bild von Æmelie.
    Irgendwann war es fertig.
    Irgendwann war alles fertig.
    Auch der Plan, wie wir Æsta den Tod bringen würden.

    Ich faltete die Bleistiftskizzen, die das Meer und den Angriff der schwarzen Luftschiffe überlebt hatten, und steckte sie an ihren Platz in meiner Manteltasche. Ich hatte sie ein letztes Mal herausgeholt, um mich zu entscheiden, ob das Gemälde nun vollendet war.
    Ich hatte mir angewöhnt, während des Arbeitens Handschuhe zu tragen, die meine Fingerspitzen freiließen und strich mit den Fingerkuppen über das vom Wasser aufgeraute Papier.
    „Fertig?“, fragte ich das Bild.
    „Es ist fertig“, sagte Ynge, und gleichzeitig sagte es Tomke, die hinter mir aufgetaucht war wie ein Geist.
    „Es könnte das erste Bild sein, das ich fertig finde“, murmelte ich.
    „Es ist an der Zeit. Wir werden Hochgotland verlassen.“
    Ich sah Tomke ernst an. „Es war schön hier.“
    Sie nickte und lächelte, und in ihrem Lächeln steckten eine Wehmut und eine unbestimmte Angst.
    Sie wandte ihren bangen Blick der Leinwand zu. „Da kommen sie aus dem Nebel. Æsta.“
    Æsta. Ich würde dorthin zurückkehren. Aber was hatte ich geglaubt – dass ich mein Leben in

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