Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Kondensatoren?“
„Sicher – wenn Sie einen Kondensator gefunden haben, auf dem Hoesch, Æsta draufsteht, dann wird Hoesch, Æsta wohl auch Kondensatoren herstellen.“
„Stellen sie auch lebende Leichen her?“
Der Schutzmann wandte sich hilfesuchend zu seinem Kollegen um, doch der verbarg sich feixend hinter seiner wuchtigen Schreibmaschine.
„Natürlich nicht! Niemand stellt … lebende Leichen her!“
„Es gibt keine solchen Experimente in dieser Hoesch-Fabrik? Sind Sie sicher? Gibt es Grabschändungen? Oder viele Leute, die ihre Körper nach dem Tode der Wissenschaft überlassen?“
„Das … das weiß ich nicht! Es gibt auf Æsta keine wandelnden Toten! Das wäre … das wäre abscheulich! Die Kirchen und der Herzog würden das nie dulden!“
„Gut. Dann habe ich nur noch eine Frage: Kennen Sie jemanden, der Kunst aufkauft?“
Fünfzig Mark überließ mir die hässliche Dame mit den hohen Wangenknochen am nächsten Morgen. Ich hatte den größten Teil der Nacht in einer billigen Pinte verbracht, hatte einige Becher Tee mit Cognac benötigt, um wieder warm zu werden, und war dann erst am frühen Morgen auf die Straße gefegt worden. Vielleicht hätte ich es wagen sollen, mir eine Hotelübernachtung zu gönnen, dann wäre mein Allgemeinzustand besser gewesen, aber ich konnte ja noch nicht ahnen, dass man mir die Bilder, die ich auf der Reise angefertigt hatte, tatsächlich abkaufen würde. Ich behielt nur das Bild von Æmelie – wie sie auf der Konferenz ihre Gasbatterie vorstellte. Liebevoll strich ich mit dem Daumen über das Papier.
In einem kleinen Laden im gleichen Viertel stattete ich mich mit einem neuen Skizzenblock und schwarzer Ölfarbe aus. Ich wusste, dass ich nun eine Aufgabe hatte – und dafür kamen mir auch die Latten ganz recht, die ich in einem großen Behältnis fand, in dem Bauschutt eines abgebrochenen Gebäudes gesammelt wurde, und in kleinere Stücke brach.
Ich irrte erneut hinaus nach Æsta, nun mit einem konkreten Plan im Kopf.
Das Zimmer war erbärmlich, doch das scherte mich nicht. Es lag im obersten Stock des Hauses einer gewissen Madame, in dem sich, wie ich rasch erkannte, ein Salon, eine Opiumhöhle und mehrere von Huren angemietete Zimmer befanden. Ich konnte aus meinem winzigen, fast blinden Fenster hinaus aufs Meer blicken, ein kleiner Ofen blakte und stank, das Bettzeug war löchrig und stank ebenfalls, doch ich hatte eine vorläufige Heimstatt gefunden. Ich nagelte die Latten zu einem Quadrat von etwa dreißig Zentimetern Kantenlänge zusammen und spannte die Leinwand darüber. Hier würde ich das Bild von meiner Æmelie in Anzug und Zylinder vollenden – so, dass es beinahe wie eine Photographie wäre.
„Das ist dein Plan?“, kreischte Ynge wütend. Ich hatte Æmelies Stimme selten wütend erlebt, doch es war vorgekommen. Manchmal hatte sie Grund gehabt, auf meine Eltern wütend zu sein, auf die Vertreter der raffgierigen Industrie – und manchmal auch auf mich, weil ich gar zu tagträumerisch war. „Du musst herausfinden, wer sie getötet hat!“
„Ich habe eine ganze Monatsmiete bezahlt. Ich werde es herausfinden. Aber erst will ich sie malen, ehe ihr Bild aus meinem Kopf verschwindet. Dein Bild, Æmelie!“
„Ynge!“, schnaubte sie.
Ich malte, bis Hunger und Kälte darum kämpften, wer von ihnen mich zuerst töten durfte. Dann löste ich die Leinwand und warf sie ins Feuer. Weinend sah ich zu, wie sie verbrannte.
Es war nicht Æmelie gewesen. Ganz und gar nicht. Es war hingekleckste Farbe gewesen. Seelenlos. Körperlos. Gesichtslos. Nicht meine Æmelie.
Ich wollte das Lattengestell neu bespannen, doch meine Finger waren blau und steif, und Ynge protestierte lauthals, also wagte ich mich in den Flur und schloss pro forma die Tür ab. Es bestand kein Zweifel, dass jederzeit jemand in meine Bruchbude von Zimmer würde eindringen können – das Schloss war völlig verrostet, und am Rahmen schienen schon mehrfach Hebel angesetzt worden zu sein, die die Tür gewaltsam geöffnet hatten.
Es war schon wieder Abend, und die Huren machten sich fertig. Ein blondes Mädchen mit einem Brandmal auf dem Oberschenkel stand in ihrer Tür und unterhielt sich in Unterwäsche mit einer anderen Dame, die zwar bereits angekleidet war, sich jedoch gerade die ruchloseste Schminke und das aufdringlichste Parfum auflegte. Sie rieb sich den Duft tief zwischen ihre üppigen Brüste, und ich schluckte und starrte geradeaus.
„Da hat sich ein Neuer einlogiert. Na,
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