Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
Vom Netzwerk:
Tasche, klappernder Staffelei, schweigender Puppe und hochgeschlagenem Mantelkragen machte ich mich auf den Weg und stieg die steilen Treppen in die verwinkelte Stadt empor. Ich fuhr erschrocken zusammen, als sich eine Schienenbahn mit Klappern und Ächzen auf ihrer Trasse nur wenige Meter neben den Metallstufen, die ich mich hinauf quälte, in die Höhe zog. Eine Gondel beförderte Güter vom Hafen, die andere Personen, und ich sah ihnen bedauernd nach, während ich noch nicht einmal einen Arm frei hatte, um mir über die an der eisigen Luft laufende Nase zu wischen.
    „Lass mich etwas sehen!“, forderte Æmelies Stimme gedämpft aus meiner Manteltasche. „Mir fällt sicher mehr auf als dir!“ Umständlich hielt ich im pfeifenden Wind, im Geruch des wilden Meeres, im Knirschen und Rauschen des Eisbergs inne und sortierte mich so, dass ich Ynge unter den Arm klemmen konnte. „Æsta!“, rief sie und kniff die langbewimperten Augen im Sturm zusammen. Ihre Locken wurden zerzaust – auch sie sah nicht mehr so frisch aus wie noch in Venedig, und ich sah ein, dass ein Kamm und ein Bad Abhilfe würden schaffen müssen.

    „Fünf Mark die Nacht?“
    „So ist es, und ein Bad kostet extra, Wasser ist nämlich rationiert auf Æsta, wie Sie vielleicht noch nicht wissen, wenn Sie gerade erst angereist sind.“
    Ratlos blickte ich Ynge an.
    „Gibt es … gibt es die Riegenbank auf dieser Insel?“
    „Nein, keine eyfalischen Banken. Hier gibt es interne Strukturen.“
    „In Hamburg gab es auch nur interne Strukturen!“ Verdammte Freistädte!„Ich habe nicht mehr viel Geld, gedenke aber, länger zu bleiben.“
    „Ich denke, das prädestiniert Sie zum Hafenarbeiter“, sagte die Dame, der das von Temmhort empfohlene Hotel gehörte, unumwunden. Ich hätte mir etwas mehr Fingerspitzengefühl gewünscht.
    „Unverschämtheit! Ich bin … Maler und von Adel dazu! Ich brauche lediglich eine Bank!“
    „Wenn das so ist, können Sie ja sicherlich in der hiesigen Bank Geld leihen, und ich mache Ihnen auch einen guten Monatspreis, wenn Sie länger hierbleiben wollen!“, besänftigte sie mich mit einem gütigen Lächeln zwischen geröteten Wangen. „Sie können Ihr Gepäck hier deponieren, bis Sie von der Bank zurückkehren, sie ist lediglich die Straße hinunter und dann über die Brücke nach Hohendorf hinaus.“

    Hohendorf, wohin Ynge und ich uns über eine steile Brücke, die sich wie ein Spinnenbein etwa von halber Höhe des Eisberges hinüberschwang, wagten, ruhte nicht mehr auf dem Eisberg, sondern auf einem gigantischen Ausläufer. Dieser war nicht mit dem ewig stählernen Einerlei bedeckt, sondern wies hinter einer hohen, der Witterung trotzenden Reling ansehnliche schlanke Gebäude mit säuberlichen, sogar verzierten Fassaden auf – es musste sich also um das Viertel handeln, das Adel und Geldadel als Heimstatt diente. Angeblich konnte es sich im Fall eines Æsta zustoßenden Unglückes sogar abkoppeln und frei dem Festland entgegensteuern. Am höchsten Punkt des Ausläufers thronte ein ausladendes Haus mit Erkern, Spitzdächern und Stuckfassade, einem Schlösschen nicht unähnlich, und ich nahm an, dass derjenige, der in der Hierarchie der Stadt am höchsten stand, dort seine Position mittels seines Wohnsitzes gefestigt hatte.
    Zwei Büttel mit Schlagstöcken und Pickelhauben ließen Ynge und mich passieren und wiesen uns sogar den Weg zur Bank. Beglückt durchschritten wir die reich beschnitzte Tür und traten in einen verhältnismäßig warmen Innenraum. Ein Herr mit der Mütze eines Buchhalters sah mich teilnahmslos an. Ich strich über Ynges Kopf.
    „Naðan von Erlenhofen“, stellte ich mich vor. „Meine Ersparnisse liegen bei der Riegenbank, aber ich hörte schon, dass es hier keine Filiale gibt. Wäre es möglich, gegen einen Schuldschein Geld zu erhalten?“
    Er sah mich an, als gefiele ihm meine Nase nicht und als wäre das bereits ein Grund, einem Mann von Stande kein Geld zu leihen. „Nein.“
    „Nein?“
    „Nein.“
    „Weshalb nicht? Ich will Ihren Vorgesetzten sprechen!“
    „Das ist leider unmöglich. Sie können ein Konto bei uns eröffnen, und nach Einzahlung eines gewissen Grundbetrages können wir Ihnen dann auch Kredite auszahlen. Aber Æsta läuft selten zivilisiertes Land an, und wir müssen vorsorgen. Es gibt hier sehr viele Arme und Mittellose, und auch wenn Sie einen ehemals sicherlich teuren Anzug tragen, gibt es keine Möglichkeit, wie Sie mir beweisen können, dass Sie

Weitere Kostenlose Bücher