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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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durchbrochen und dann einem Ruf: „Da! Ich hab ihn erwischt!“ Ich kauerte mich in eine Gasse – wieder ein Mord?
    „Ha! Seht ihn euch an, den Tropf! Hier haben wir ihn also!“ Jemand spuckte aus.
    „Moment – Samuel, komm da weg! Der bewegt sich noch …“
    „Unfug, der ist tot. Der muss tot sein.“
    „Der …“
    Ein Kreischen unterbrach ihn, ein reißendes Geräusch, eine schreckliche Kakophonie aus Schüssen, dem Bollern einer seltsamen Apparatur, Schreien – ich presste die Hände auf die Ohren und machte mich so klein, wie ich konnte.
    „Lass das, Naðan!“, vernahm ich Ynges Stimme, obwohl ich doch die Finger in meine Gehörgänge bohrte. „Willst du nicht nachsehen, was da los ist?“
    Nein, das wollte ich auf keinen Fall, und ich war froh, dass der blonden Hure diese Begegnung erspart geblieben war. Etwas zog an meiner Gasse vorbei – es waren mehrere, doch ich konnte nicht sagen, ob Mensch oder Automat. Vorsichtig löste ich die Hände von den Ohren und musterte die bleiche Ynge nachdenklich. Dann kroch ich beinahe auf allen vieren zum Ausgang meines Unterschlupfs hinter fauligen Latten und anderem altem Baumaterial.
    Ein Wille, der größer war als meiner, ließ mich der mörderischen Gesellschaft folgen.
    „Ha, das war wirklich nicht schlecht! Jetzt sollten wir ihn zurückbringen“, wisperte einer der Männer.
    „Nimm ihm erst das Gewehr ab, nicht, dass er nachher noch vergisst, wer Freund und wer Feind ist. Überhaupt: Das war nicht schlecht , sagst du? Was ist, wenn ihn jemand gesehen hat? Das war viel zu waghalsig, aber er will ja nicht auf mich hören. Ich habe ihm hundert Mal gesagt, er soll erst einen … Hund oder eine Ratte oder so was rausschicken.“
    „Nimm ihm das Gewehr selber ab, es ist unheimlich schwer! In eine Ratte oder einen Hund passt dieser ganze Schnickschnack nicht rein.“ Ein zwischen den Schneewolken aufblitzender Mond warf Licht auf die finsteren Gesellen – es waren Menschen, doch einer von ihnen bewegte sich auf seltsame Art und Weise. Er bewegte sich mit einer schauerlichen Abgehacktheit, wie jemand, der beispielsweise hunderte Male gegen eine Treppenstufe lief, ohne sie bewältigen zu können.
    „Ich weiß nicht“, hub der Zweite wieder an. „Das mit seinem Gönner hat ihm Aufwind gegeben. Ich finde, er sollte sich mehr zurückhalten.“
    „Ach, Unsinn! Wo gehst du denn jetzt hin?“
    „Wir sollten uns mal ganz in Ruhe drüber unterhalten“, senkte der andere seine Stimme zu einem Flüstern, das ich beim besten Willen nicht mehr verstehen konnte.
    Ich folgte ihnen bis hinunter zu einem Kai. Das mit Eisschollen karierte Meer toste und schäumte und fraß den Schnee, der sich darauf senkte.
    „Und was machen wir jetzt?“, fragte der andere.
    „Naja, erstmal nimm ihm das verdammte Gewehr ab! Und dann – ich weiß nicht … ich überlege, ob es vielleicht eine Belohnung gibt, wenn wir unseren Freund hier … gewissen Leuten zeigen.“
    „Nimm du ihm das Gewehr ab – was ist, wenn er mich abknallt?“
    „Er hat schon geschossen!“
    „Es ist das Hochdruckgewehr – er kann mehrmals schießen, Herr Neunmalklug!“ Sie griffen nach dem großen Ding, welches der Abgehackte im Arm hielt wie einen Säugling – er hielt es fest, das konnte ich sehen. Wie konnte es geschehen, dass da ein menschlicher Körper laufen, ein Gewehr halten und es abfeuern konnte, aber Denken, Sprechen und all die Fähigkeiten, die einen Menschen ausmachten, mit seinem Tode verlernt hatte?
    Gott hatte ihm die Seele genommen.
    Im pfeifenden Wind, in der Dunkelheit und während der Rangelei mit dem Shelly hatten dessen menschliche Begleiter nicht gesehen, dass ein vierter Mann hinzugetreten war – und auch ich nahm ihn erst wahr, als er bereits nah an die anderen herangetreten war. Nun geschahen viele Dinge gleichzeitig, doch letztlich endete es damit, dass zwei Männer mit durchschnittenen Kehlen im Hafenbecken landeten. Der hinzugekommene Mann ließ die verborgene Klinge in seinen Spazierstock schnappen.
    „Na, schau mal“, sagte er, als er mit dem Abgehackten an mir vorbeikam. Zitternd hatte ich mich in einem an Land gezogenen Boot zusammengerollt. „Das wird immer besser mit dir. Da war allerdings noch zu viel Rauschen im Æthersignal. Du brauchst noch eine bessere Funkantenne.“ Er klang, als habe er eine Modelleisenbahn zu Weihnachten bekommen, so sehr erfreute er sich an der Meisterleistung, die der wandelnde Mann ohne Frage darstellte.
    „Folge ihm!“,

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