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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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meinen Ohren zu übertönen.

    So standen wir nun also unter dem diffusen Gaslicht rund um die Bruchbude, in welcher wir unsere vorübergehende Heimstatt hatten. Ich lungerte, bewaffnet mit einem Spazierstock, in einem Seiteneingang herum, aus dem ich mir einbildete, ein wenig warme Abluft der stickigen Opiumhöhle im Souterrain zu erhaschen. Meine blonde Hure stand an ihrem gewohnten Ort, an dem man sich einbilden konnte, man sähe ihre allabendlichen Fußabdrücke bereits im Eis und Teer der Straßen eingegraben. Wirbelnde Flocken umwehten sie, wie sie in ihrem Mantel vor dem Gaslämpchen stand, das aus Madames Seitenwand herausragte, um den Huren und den Freiern ein wenig Licht zum Begutachten zu schenken.
    Sie hatte einen Taschenofen unter ihrem Mantel verborgen, in dem ein Heizstab ihr Wärme schenkte. Ich schätzte mich nicht derart glücklich, und war daher verhältnismäßig erleichtert, als die Dame von einem ihr bekannten Freier angesprochen wurde und ihn mit hinein nahm. Sie zeigte mir noch ein Lächeln und einen aufgerichteten Daumen, welcher hoffentlich ihr Einverständnis und keine körperlichen Attribute des Herrn demonstrieren sollte.
    Ich wandte mich seufzend ob des geringen Erfolges ab, machte mich auf den Weg die stockdunkle Straße hinunter – irgendwo würde ich noch einen heißen Tee bekommen, vielleicht einen Platz an einem Kohleöfchen. Oder vielleicht – vielleicht sollte ich mich einmal in die Nähe einer der Hoeschfabriken begeben. Die größte erstreckte sich direkt am Hafen der Schaufelraddampfer, die die an Land abgebauten Rohstoffe über kurze Distanzen zwischen Ufer und Stadt transportierten. Den Großteil des Transports übernahmen jedoch nach wie vor die Luftschiffe, und ich hatte gehört, dass, um an Kohle, Erz, Gas und Öl der vom Eis eingeschlossenen Nordlande zu kommen, riesige Apparaturen an Land gebracht wurden, die sich mit ihren spinnenartigen Beinen im Eis verankerten und es dann mit Wasser aus gewaltigen Siedekesseln zum Schmelzen brachten.
    Nach dem Graben und Bohren jedoch wucherte das Eis wieder darüber – keine Maschine würde diese Länder wieder bewohnbar machen.
    Auch das größte Hoeschwerk war ähnlich wie das Spital von einem engmaschigen Zaun mit eisernen Spitzen umgeben – die Eingänge wurden bewacht, und zusätzlich schien es eine Art elektrisches Sicherheitssystem zu geben, denn starke Leitungen waren von Zaun zu Zaun verlegt, und metallene Kästen verströmten das unverkennbare Geräusch eines tödlichen Stroms.
    „Gehen Sie weiter, mein Herr“, empfahl mir ein Wachmann, als ich gar zu offensichtlich in seine Richtung starrte.
    „Was summt denn da so?“
    „Gegen die Ratten. Aber es ist auch für Menschen nicht angenehm, das können Sie mir glauben. Es gibt auch keinen Grund, bei Nacht hier herumzustromern. Gehören Sie denn nirgendwo hin?“
    „Warum? Gehören Sie nirgendwo hin?“
    „Ich bin ein Wachmann, es ist meine Aufgabe, nachts hier zu stehen. Ehrbare Bürger sollten nachts in ihren Betten liegen. Und ich hoffe, Sie gehören dazu. Zu den ehrbaren Bürgern.“
    „Selbstverständlich gehöre ich dazu! Ich musste nur … einem kranken Kollegen etwas bringen. Ts, was manche sich herausnehmen!“, flüsterte ich Ynge zu, und wir wandten uns würdevoll ab.
    Trotz der Nähe zur See war die Luft hier nicht gerade gut – der Schnee drückte sie hinab, so dass ich all den Rauch, den Staub, die Abgase einatmete, mit denen Æsta sich selbst verpestete und denen sich die Arbeiter im Hafenviertel nicht entziehen konnten. Ich verspürte ein Jucken unter meinem Wollmantel, das daraufhin deutete, dass ich nun bereits eine viel zu lange Zeit ohne ein Bad verbracht hatte – doch wo würde ich ein solches erhalten?
    Fabrikbarracken, teils nie fertiggestellt, teils verfallend – wohl aus dem Grunde, dass der Magnat Hoesch sich in der freien Reichsstadt Æsta vor alle anderen aufsteigenden Industriellen gesetzt und diese zum großen Teil zugrunde gewirtschaftet hatte – erstreckten sich bis hinunter zu den Kais, Pieren und Werften. Hier wurde es so dunkel, dass jeder Schritt mit Lebensgefahr zu drohen schien, und so eisig, dass ich befürchtete, spontan zu erfrieren.
    Hier war nichts. Hier würde ich nicht mehr schlauer werden. Irgendwie musste ich in die Fabrik hinein oder ich suchte mir jemanden, der dort arbeitete. Das konnte nicht schwer sein … das Problem würde darin bestehen, ihn ins Vertrauen zu ziehen.
    Meine Gedanken wurden von einem Schuss

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