Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
ist es passiert? Hier?“
Ein schlechtes Gefühl kroch meinen Rücken hinauf. Konnte ich denn sicher sein, dass ich hier, unter dem Dach dieser Kaschemme tatsächlich von Æstas Krieg verschont bleiben würde?
Vielleicht würden sie das ganze Haus anzünden, und es wäre ihnen einfach egal, wer darin war.
„Nein, auf der Straße. Aber … niemand hat ihre Leiche gefunden.“
„Das heißt, es gibt keine Beerdigung?“
„Nein“, schüttelte meine einstmalige Bettgefährtin den Kopf. Es war mir nach wie vor unangenehm, ihr zu begegnen, geschweige denn, mit ihr zu sprechen, doch sie schien aufgewühlt genug, es zu ignorieren, und nicht, wie sonst, taktvoll zu sein.
„Ist es denn sicher, dass sie tot ist?“
„Jeder weiß, wo sie immer steht. Und da war … da war sehr viel Blut.“ Wie bei Æmelie – ich musste hier am richtigen Ort sein, auf der richtigen Fährte! Ob Susis Blick auf dieselbe Weise zerbrochen war wie der meiner geliebten Frau?
Oder … oder waren sie am Ende beide gar nicht tot? Würde ich Æmelie dort finden, wo man nun auch Susi hingeschleppt hatte?
„S ’ ist jetzt drei Nächte her – sie wäre doch wieder aufgetaucht!“ Jetzt weinte sie doch, und ich schluckte auch einige Tränen hinunter. Sie waren tot, tot, tot, und die Leichname wurden irgendwo geschändet!
„Gibt es … gibt es eine Spur von dem Mörder? Ist es … war es ein Mensch oder eine … Maschine?“
„Wie meinst du das, eine Maschine? Wie sollte eine Maschine sie … ach!“ Sie schluchzte nun lauthals, und ich beeilte mich, auf mein Zimmer zu kommen.
„Hier kann ich nicht bleiben“, überlegte ich. „Viel zu gefährlich.“ Aber eine andere Stimme hielt dagegen: „Es werden Leute umgebracht und die Leichname verschwinden – dorthin, wo auch Æmelies Leichnam ist! Du musst es nur wagen, der Spur zu folgen.“
Ich spähte hinüber zu dem Portrait, das ich nach wie vor von meiner schönen klugen Frau zeichnen wollte. Ich hatte nun mit mehr Akribie und weniger Leidenschaft begonnen, hatte die Linien ihres Gesichts, die Strähnen ihres Haares, Wimpern und Brauen mit Bleistift auf die Leinwand übertragen und dann zaghaft mit einer ersten Schicht Farbe begonnen.
Ynge hatte mir vorgeworfen, untätig zu sein, Bilder zu malen und fremde Frauen zu … zu benutzen, aber ich rückte einer Spur näher und näher – ich konnte es fühlen. Und wenn ich sie aufgenommen hätte, dann würde Ynge auch wieder mit mir sprechen.
Nach nur wenigen Stunden hatte ich einen Entschluss gefasst.
„Aber sicher!“, sagte ich und wagte es nicht, der blonden Hure in die Augen zu sehen. „Ich bleibe die ganze Zeit in der Gasse. Nur morgen früh muss ich auf eine Beerdigung.“
„Auf welche Beerdigung musst du denn? Das ist doch wohl kein böser Scherz und du meinst meine?“, schimpfte die blonde Hure mit schriller werdender Stimme.
„Nein, nein! Einer der … Kunden von Madame hat das Zeitliche gesegnet“, erläuterte ich den glücklichen Umstand eines gänzlich vom Streik und den daraus resultierenden Folgen unberührten Todesfalls in der Opiumhöhle.
„Und warum besuchst du die Beerdigung?“
„Weil … ich mag Beerdigungen. Und ich möchte sehen, wie das hier auf dem Eisberg … wie es hier gemacht wird. Ich habe schon davon gehört.“
„Es ist keine richtige Beerdigung. Sie werden ja wieder hervorgeholt.“
„Ja, ich weiß. Also, jetzt … meine, ähm, Teure. Mach dir keine Sorgen, ich werde die ganze Zeit hier sein. Solange du es hier in der Kälte aushältst, halte ich es auch aus.“
„Was, wenn der Mörder … wenn er vorgibt, ein Freier zu sein?“
„Dann … äh … dann werde ich … dann schreist du, sobald er Anstalten macht, dich anzugreifen.“
„Du meine Güte! Ich hoffe, das geht glimpflich aus.“
Ein Teil von mir, der in der Fähigkeit zu kalkulieren Æmelies mathematischem Können ebenbürtig sein musste, sagte: „Wenn sie tot ist, kannst du dem folgen, der ihre Leiche fortschafft. Wenn du sie vorher rettest, nicht.“
Aber trotzdem – ich hatte eine Nacht mit dieser Frau verbracht, oder nicht? Nun gut, es war keine Nacht gewesen, vielleicht war es auch nur eine Stunde. Oder eine halbe. Aber ich würde sie selbstverständlich nicht einem mörderischen Schicksal überlassen.
„Aber Æmelie hast du diesem Schicksal überlassen“, sagte eine leise Stimme in meinem Kopf . Ich atmete viele lange Atemzüge, und währenddessen plapperte die Hure auf mich ein und versuchte, das Dröhnen in
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