Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Gebiete auf.
„Schönes Æsta“, seufzte Domek mit einem ironischen Zwinkern.
Die Kutsche, gezogen von besagten schwarzen Rappen, kam vor einem Torbogen zum Stehen, der auf einen gepflasterten Innenhof führte. Eine Dame entstieg ihr und wurde sogleich von der Hausdienerin der Hoeschs in Empfang genommen. Beide Frauen waren etwas mehr als ein Jahrzehnt älter als ich selbst, und sie hätten gegensätzlicher kaum sein können. Die Gräfin war eine gertenschlanke Frau mit einer Adlernase und einem Blick, der demselben Tier zu Ehre gereicht hätte. Ein hochgeschlossenes Kleid, das von einem silbrigen Grau war, mit schwarzer Spitze, die an den Knöcheln hervorlugte, ging wenig charmant mit ihren knochigen Formen um. Ganz anders die Hausdienerin: Sie war auf eine charmante Weise pummelig, so wie jemand, der einem jammernden Kind vor dem Zubettgehen noch ein Bonbon zusteckt. Sie trug Hoeschs Farben – ein tiefes Aquamarin bis auf die blütenweiße Schürze, deren Gurt eine Falte in ihre ansonsten rundliche Mitte schnitt.
Auch Domek und ich traten heran, während sie die Gräfin ins Innere des Hofes komplementierte.
Ihr männliches Pendant, ein stocksteifer, staubiger Mann in schwarzem Anzug vertrat uns den Weg, als sei er gerade aus den Schatten erstanden. Ich zuckte zusammen, doch Domek lächelte einnehmend.
„Der junge Herr von Pommern“, bemerkte der vertrocknete Diener und bedachte mich mit einem Blick aus den Augenwinkeln. „Wer ist Ihre Begleitung?“
„Der junge Herr von Erlenhofen. Aus Aquis“, erwiderte Domek, doch ich räusperte mich mit einem plötzlich warnenden Gefühl im Nacken.
„Seien Sie bitte so gut und erwähnen meinen Namen nicht. Ich bin Naðan, ein Künstler ohne Nachnamen, wenn das gefällt.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob das gefällt“, hüstelte der Diener und richtete seine weißen Handschuhe.
„Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn“, sang Ynge in meiner Tasche zum Spott der beiden Hausdiener, und ich griff nach ihr und tätschelte warnend ihren Kopf.
„Das lässt sich sicherlich einrichten“, lachte Domek einnehmend. „Ich habe seine Kunst für mich entdeckt. Ich bin bekannt dafür, Dinge zu entdecken.“
„Wie Sie wünschen, junger Herr.“
Mit einer Verbeugung wies der Diener uns den Weg durch den von unten beheizten Innenhof, in welchem in Blumenkästen Pflanzen gediehen – ich sah an einem Bäumchen gar einen Apfel reifen! Doch da waren wir schon in der Helligkeit der Hoesch’schen Villa. Gaslampen ebenso wie neu installierte Glühlampen erhellten eine Eingangshalle, deren Fliesen mit ihrem weißen Stein dem schwarzen Deckengebälk gegenüberstanden. Wie die Fenster von Gittern mehr geschmückt als geschützt wurden, so waren auch hier die hell verputzten Wände mit gitterartigen schwarzen Mustern bedeckt, die mich daran denken ließen, in einen Käfig hinein- oder aus einem herauszublicken. Ich fragte mich, in welche Art von Bild ich diesen Eindruck würde verfrachten können, doch für den Augenblick blieb es bei dem kurzen Gedanken, denn zu viele andere Dinge buhlten um meine Aufmerksamkeit.
„Legen Sie doch Ihren Mantel ab!“, bat mich eine junge Frau in dunkelblauem Kleid mit einem Knicks. Sie hatte das Haar unter einer Haube verborgen, doch eine blonde Strähne schaute an ihrer Schläfe heraus. Ich ließ mir den Mantel ausziehen und die Mappe mit den Zeichnungen beiseite legen, doch Ynges Schrei erinnerte mich daran, dass ich sie nicht in der Innentasche zurücklassen konnte.
Viele edle Damen und Herren schlenderten bereits um mich herum, strebten dem Saal zu, dessen große Flügeltüren in den Empfangsraum geöffnet waren.
„Einen Moment! Ich … ich muss die Puppe herausnehmen.“
Domek räusperte sich. „Naðan, ich weiß, du hängst an dem Stück, aber hier wird gut auf sie achtgegeben.“
Ich schüttelte den Kopf und nahm Ynge vorsichtig an mich. Sie passte nicht in die Tasche meines Gehrocks, daher musste ich in den sprichwörtlichen sauren Apfel beißen und die Puppe in meine Armbeuge klemmen, während die Umstehenden mich mit befremdlichen Blicken betrachteten.
Ich beantwortete Domeks Seufzen mit einem selbstironischen Lachen. Als wir auf die Dienerin zutraten, die die eintreffenden Gäste vermerkte und im Saal ankündigte, flüsterte ich meinem Begleiter zu: „Ich glaube, du kannst es nicht hören, aber sie spricht zu mir. Es ist Æmelies Puppe, und sie spricht daraus, auch jetzt, wo sie tot ist.“
„Grundgütiger – Herrgott
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